Interview mit Frau Dr. Alexandra Thümmler und Herrn Dr. Patrick Bochmann

sowie Herrn Detlef Apolinarski vom Regionalmanagement (LEADER-Region Schönburger Land).
Frau Dr. Thümmler und Herr Dr. Bochmann, Sie sind beide Vorsitzende von Geschichtsvereinen in unserer Region. Wie sind Sie zum Verein gekommen und was treibt Sie an, sich für diesen Verein so zu engagieren?

Dr. Thümmler:
Das ist einfach erklärt. Seit meinem 16. Lebensjahr beschäftige ich mich mit der Schönburgischen Geschichte, habe zunächst als Gästeführerin in Waldenburg angefangen, war von den Schlössern und Gärten sehr fasziniert und bin darüber dann nach meinem Abitur im Jahre 1999 zum Studium der Mittleren und Neueren Geschichte an die Universität Leipzig gekommen. Auch dort hat mich die Geschichte der Schönburgischen Herrschaften nicht losgelassen. Ich bekam nun die Möglichkeit, mich dem Thema aus einer tiefgründigeren wissenschaftlichen Perspektive zu nähern. Schließlich habe ich, unter der Betreuung von Prof. Uwe Schirmer (Sächsische und Thüringische Landesgeschichte), zwei Abschlussarbeiten und meine Dissertation zu dieser Thematik verfasst. Es war jedoch nie mein Ziel, die Ergebnisse dieser Arbeiten allein der Geschichtswissenschaft zur Verfügung zu stellen, wie das manche HistorikerInnen heute zu tun pflegen. Stattdessen hat es mich immer gewurmt, wie viel von der Schönburgischen Geschichte insbesondere bei der Bevölkerung in Vergessenheit geraten war. Ich habe mir daher vorgenommen, meine Ergebnisse auch der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als der Geschichtsverein dann im Jahre 2007 gegründet wurde, war es für mich nur folgerichtig, direkt als Gründungsmitglied beizutreten, und mein Ziel in diesem Rahmen weiter zu verfolgen.

Dr. Bochmann:
Ich habe mich bereits seit meiner Schulzeit sehr für die Geschichte interessiert, neben Geografie und Sprachen war es mein Lieblingsschulfach. Der Wunsch nach einem Studium der Geschichte im gymnasialen Lehramt konnte nicht erfüllt werden, die medizinhistorische Dissertation ließ mich aber trotzdem wissenschaftlich in der Historiografie lernen und arbeiten. Mit der Niederlassung als Allgemeinmediziner in meiner Heimatstadt Lichtenstein 2011 war es für mich selbstverständlich, mich auch gesellschaftlich zu engagieren. Was lag da näher, als dieses Engagement und mein Geschichtsinteresse miteinander mit dem Beitritt in den Verein für Geschichte der Stadt Lichtenstein/Sa. e.V. und dem Freundeskreis des Museums der Stadt Lichtenstein/Sa. e.V. zu kombinieren?! Die Wahl zum Vorsitzenden des Lichtensteiner Vereins erfolgte auf Wunsch der Mitglieder und im Sinne eines Generationenwechsels zur Sicherung der Vereinszukunft. Diese ehrenvolle Aufgabe übernahm ich sehr gerne und versuche mit Respekt und Engagement diese vollumfänglich auszufüllen.

Es gibt in der Region einige Heimat- und Geschichtsvereine, die sich in unterschiedlicher Weise mit der Historie zur Region beschäftigen und dabei auch das Adelsgeschlecht der Schönburger im Blick haben. Wie wir erfahren haben, sind die historischen Institutionen, ForscherInnen und Vereine dabei, ihre Zusammenarbeit zu optimieren und einmal im Jahr einem Erfahrungsaustausch zu organisieren. Im Oktober 2019 fand so ein Erfahrungsaustausch erstmalig statt und soll nun aufgrund der sehr positiven Resonanz der TeilnehmerInnen eine Wiederholung finden. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit der hier agierenden Akteure in der Region? Kann man schon von einem kleinen Netzwerk sprechen?

Dr. Thümmler: Ja, durchaus. Einige Institutionen, darunter die Museen, standen bereits vor dem Treffen im Oktober 2019 in Kontakt. Es bestanden auch schon einzelne Kontakte zwischen Museen, Vereinen, Historikern und Regionalforschern. Andere kannten sich dagegen gar nicht, was insbesondere für die Ebene der Regionalforscher und Vereine galt. Im Grunde geht es uns vor allem darum, die fehlenden Kontakte herzustellen, bestehende Kontakte zu vertiefen und die Zusammenarbeit aller Beteiligten zu fördern. Das Treffen im Oktober hat in diesem Punkt bereits einiges bewirkt.

Dr. Bochmann: Das stimmt. Es gibt eine Vielzahl von historischen Vereinen, in nahezu jeder Stadt des Schönburger Landes. Die Zusammenarbeit der Vereine besteht und bestand von jeher, war und ist aber immer abhängig von individuell-persönlichen Beziehungen der Mitglieder untereinander und basiert somit auf dem Engagement der Mitglieder resp. der Vereinsvorsitzenden. Um jedoch die bilateralen Vereinszusammenarbeiten zu intensivieren und zu optimieren, wurde mit dem Historikertreffen versucht, ein Netzwerk resp. -treffen zu gründen, an dem gerade nicht nur historische Vereine, sondern auch weitere Institutionen wie Archive, Museen usw. teilnehmen können und sollen. Damit soll erreicht werden, dass sich alle Akteure der lokalen und regionalen Geschichtsforschung erstens kennen (-lernen), zweitens die Arbeitsweisen optimiert werden und drittens die Forschungsergebnisse bekannt werden bzw. gemeinsame Forschungen entstehen könnten.

Existiert denn in der hiesigen Bevölkerung auch heute noch ein Bewusstsein für die ehemaligen Schönburgischen Herrschaften? Und wenn nicht, reicht dann ein Netzwerk aus, um eine größere Resonanz in der Bevölkerung zu erhalten und vielleicht sogar ein Bewusstsein rund um die Geschichte der Schönburger neu zu erzeugen?

Dr. Bochmann: Nein. Ein solches Bewusstsein existiert heute nicht mehr. Ein Netzwerktreffen reicht aber selbstverständlich nicht aus, um es wiederherzustellen, und dient nur als Arbeitsgrundlage bzw. Vernetzung der Forschung. Die jeweiligen Ergebnisse müssen publiziert werden (print, medial) und dann via Presse u. Ä. der Bevölkerung bekannt gemacht werden.

Dr. Thümmler: Es ist auf jeden Fall ein Fortschritt, wenn kulturelle Institutionen, Historiker, Regionalforscher und Vereine zusammenarbeiten. Das allein reicht aus meiner Sicht aber nicht aus, um ein schönburgisches Bewusstsein zu wiederherzustellen bzw. neu zu erzeugen. Verschiedene kulturhistorische Gruppen und Vereine der Region, darunter Geschichts- und Fördervereine, unsere historische Tanzgruppe Circulus iucundus, die Schloßcompagnie Glauchau und viele andere, versuchen, die Geschichte der Schönburgischen Herrschaften bereits seit einigen Jahren wieder mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken, insbesondere mittels Reenactment-Darstellungen bzw. szenischen Darstellungen, Kostümführungen, Konzerten etc.. Ihre Veranstaltungen haben inzwischen auch viele treue Anhänger und sind aus dem kulturellen Angebot nicht mehr wegzudenken. Gemessen an der Gesamtbevölkerung ist die Zahl ihrer Anhänger jedoch noch relativ gering. Um eine wirklich breite Resonanz in der Bevölkerung zu erzeugen, müssten sich zunächst die wichtigsten politischen, touristischen und kulturellen Träger der Region zusammentun, sich mit der schönburgischen Geschichte auseinandersetzen und das hohe Potential einer gemeinsamen Vermarktung als einstige Schönburgische Herrschaften erkennen. Leider sind die politischen Strukturen dafür momentan nicht günstig. Insbesondere der Anschluss an den Landkreis Zwickau, der schon immer zu Kursachsen gehörte, macht es schwierig, das Gebiet touristisch und kulturell gemeinsam und in Abgrenzung von Sachsen zu vermarkten. Die Tourismusregion Zwickau hat mit dem „Zeitsprungland“ vor einigen Jahren einen Marketing-Kompromiss gefunden, der dem Potential, das in den Schönburgischen Herrschaften schlummert, aber leider nicht ansatzweise gerecht wird. 
Daher blieben die Bestrebungen, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Schönburgische Geschichte zu erzeugen, bisher auf der Ebene der Museen, Vereine und anderer kleinerer Kulturträger verhaftet. Deren Zusammenarbeit zu verbessern, ist nun zunächst das vorrangige Ziel unseres aktuellen Netzwerkprojektes.
Eine weitere Möglichkeit bietet, meines Erachtens, die Einbindung verschiedener Wirtschaftszweige, insbesondere des Hotel- und Gaststättengewerbes. Einige Gastronomen in Waldenburg und Glauchau haben das Potential zum Teil bereits erkannt. Ich würde mir wünschen, dass andere in dieser Hinsicht nachziehen. Auch hier wäre eine Diskussionsrunde zwischen Historikern, Geschichtsvereinen und Gastronomen der Region über Möglichkeiten und Grenzen der Vermarktung sicher sinnvoll. Aber so weit sind wir momentan noch nicht.

Wir haben als Regionalmanagement vom Schönburger Land ebenso Überlegungen angestellt, inwieweit wir nicht einen identitätsstiftenden Ansatz finden können, um das historische Moment und die Namensgebung für unsere Region sowie den Begriff der Schönburger stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung zu befördern.
Auch wir benötigen profunde Kenner der Geschichte und natürlich neue Mitstreiter, um das eben Gesagte neu zu transportieren. Könnten Sie sich vorstellen, bei uns einen aktiven Part zu übernehmen? Wir stellen uns vor, auf unserer Internetseite www.region-schoenburgerland.de einen Blog einzurichten, wo Sie bzw. andere Interessierte aktuelle und historische Beiträge (u.a. Anekdoten, Forschungen, Publikationen etc.) zu den Schönburgern einstellen können. Das könnte beispielswiese thematische Ansätze umfassen, aber perspektivisch ebenso ein Kalenderblatt zu geschichtlichen Ereignis in der Region.

Dr. Thümmler: Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Es ist ein guter Anfang, für das Netzwerk eine gemeinsame Plattform zu schaffen, die zudem noch Außenwirkung hat. Ich hätte persönlich nicht erwartet, dass sich so schnell eine Möglichkeit dazu bieten würde. Ich bin sehr gespannt, wie gut der Blog angenommen wird, sowohl bei den aktiven Schönburg-ForscherInnen und Vereinen als auch bei der Bevölkerung. Danach wird sich dann auch die Frequenz der Blog-Beiträge richten. Beim letzten Treffen haben wir auch überlegt, eine gemeinsame Plattform für Veranstaltungen der einzelnen Akteure zu schaffen. Vielleicht kann die Internetpräsentation von LEADER auch diesem Problem abhelfen.

Dr. Bochmann: Sehr gern. Anstatt „transportieren“ würde ich aber die Ausdrücke vermitteln, in Erinnerung rufen, wiederentdecken, identitätsstiftend usw. als passender erachten.

Frau Dr. Thümmler, Sie haben im letzten Jahr mit ihrem Beitrag „Schönburg-History- Regionalgeschichte (schau-)spielerisch erleben“ den Ideenwettbewerb „Starke Vereine für ländliche Räume“ gewonnen und den 1.Platz belegt. Wie weit sind die Vorbereitungen zum Projekt gediehen, gibt es schon erste Ergebnisse?

Dr. Thümmler: Das Projekt Schönburg-History, welches 2019 vom LEADER-Regional-Management „Schönburger Land“ mit dem ersten Preis des Ideenwettbewerbs „Starke Vereine für ländliche Räume“ honoriert wurde, konnte auf Grund von anderen laufenden Projekten des Waldenburger Geschichtsvereins bisher noch nicht in die Tat umgesetzt werden, und steht daher auf der Dringlichkeitsliste ganz oben. Die Umsetzung ist für das neue Schuljahr geplant. Sofern es die aktuelle Situation zulässt, werden sich die beteiligten Akteure im Juli und August zusammensetzen und das gemeinsame Vorgehen besprechen. Bisher haben bereits einige Vereine sowie eine Reihe von Einzelakteuren ihre Mitwirkung angekündigt.

Frau Dr. Thümmler und Dr. Bochmann, diesen Ansatz der Kooperation mit Akteuren aus der Region, wie mit Ihnen und unserem Gremium der Lokalen Aktionsgruppe vom Schönburger Land sollten wir intensiver verfolgen und demnächst mit unserer Reihe bzw. dem Blog: „Schönburg-History“ beginnen. Eventuell gewinnen wir weitere Mitmacher, die Spaß an solch einem Projekt haben. Es klingt schon vorab sehr spannend und macht sicherlich neugierig auf das, was uns an künftigen Geschichten aus der Vergangenheit sowie der Gegenwart erwartet.

Vielen Dank an Sie beide für das informative Gespräch. Wir möchten dann Anfang Juni mit einem spannenden Beitrag auf unserer Internetseite starten und können unsere Leser*Innen/ Interessierten jetzt schon neugierig machen.

Die Internetadressen von den genannten Geschichtsvereinen lauten:

(https://www.geschichtsverein-lichtenstein.de) und

(https://www.geschichtsverein-waldenburg.de/)

Das Interview haben wir mit beiden Online als auch Offline (E-Mail) führen können.

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