Langenchursdorf und die Stephan’sche Auswanderung

– AUTORIN: Maria Fleischer-

Ich hatte die Gelegenheit, im Schuljahr 2019/2020 im Rahmen einer Facharbeit in Geschichte in der Sekundarstufe II am Europäischen Gymnasium Waldenburg die Auswanderung der sogenannten „Stephanisten“ nach Nordamerika etwas näher zu untersuchen und vor allem die Rolle meines Heimatortes Langenchursdorf und „seiner“ Auswanderer zu beleuchten. Dabei ging es mir sowohl um eine kurze Darstellung der Hintergründe und der Ausgangssituation hier am Rande des „Muldentals“, aber auch um den genauen Ablauf der Ereignisse sowie die Entwicklung der Auswanderergemeinde in den USA.

In diesem Zusammenhang wurden die Schicksale prominenter Auswanderer, wie z. B. des in Langenchursdorf geborenen Pfarrers C. F. W. Walther, des späteren Gründers der Missouri-Synode, ebenso wie des Paläontologen Johann Traugott Sterzel oder des einfachen Langenchursdorfer Bauern Johann Michael Schüßler nachgezeichnet.

Maria Fleischer

Im Februar des Jahres 1839, vor ziemlich genau 182 Jahren, stampfte der Mississippi-Dampfer „Selma“, von New Orleans kommend, den Fluss hinauf nach St. Louis. An Bord befand sich das letzte Kontingent von insgesamt etwa 600 Auswanderern aus Sachsen und den Thüringischen Herzogtümern, die etwa fünf Monate vorher, im September und Oktober 1838, aus ihrer alten Heimat nach Nordamerika aufgebrochen waren. Weitere 100 sollten ein Jahr später folgen. Sie tauchten nun ein in ein Szenario, welches uns Mark Twain in seinen Romanen mit einem gewissen Augenzwinkern nahe gebracht hat, jedoch ging es für sie fernab jeder erhofften Idylle bald nur noch ums nackte Überleben. Überzeugt davon, dass es in Deutschland für sie keine Zukunft mit der Möglichkeit der freien Religionsausübung, nämlich dem Bewahren der nach ihrem Verständnis reinen Lutherischen Lehre, gäbe und dass ihr Seelenheil nur in einer Auswanderung nach Amerika läge, schlossen sie sich zur einer Auswanderergesellschaft zusammen, die unter Führung des Dresdener Pfarrers Martin Stephan in die sogenannte Neue Welt aufbrach.  Unter diesen Emigranten war auch eine größere Anzahl von Einwohnern aus den Schönburgischen Herrschaften, unter anderem aus Langenchursdorf. 




Titel eines zeitgenössischen Werks über die Auswanderer

Was trieb nun diese Menschen an, ihre vertraute Umgebung, ihre Familie, ihr Hab und Gut zu verlassen und sich auf eine lange, entbehrungsreiche, ja lebensgefährliche Reise zu machen, einer überaus ungewissen Zukunft in einem völlig fremden Land entgegen?  Es war ein Abschied für immer, denn eine Rückreise war nicht vorgesehen. Aus heutiger Sicht und mit der zumindest theoretischen Möglichkeit – unter normalen Umständen – per Flugzeug relativ komfortabel innerhalb weniger Stunden an jeden beliebigen Ort der Welt reisen zu können, ist es nur schwer vorstellbar, welchen abenteuerlichen Bedingungen sich die Menschen allein schon für die drei Monate lange Seefahrt über den Atlantik unterwarfen. Kälte, Nässe, Enge, eintönige Seemannskost, Seekrankheit, keinerlei Privatsphäre im „Zwischendeck“ und zumindest während der stürmischen Tage ständige Lebensgefahr, das zehrt an Körper und Seele. Und die Befürchtungen waren nicht grundlos, eines der Auswandererschiffe ging mit Mann und Maus unter, andere starben an den Strapazen.

Selbst gewähltes Elend, sagen vielleicht einige; aber ist es wirklich so einfach? Welche Rolle spielten die religiösen, gesellschaftlichen und ökonomischen Zustände in der alten Heimat? Welchen sozialen Bindungen unterlagen die Auswanderer? Oder fehlten diese? Welche Rolle spielten die Führungspersönlichkeiten, die Pfarrer? Was wurde aus ihnen? Erfüllten sich ihre Träume? Oder waren auch sie schon nur Verführte, die einem Demagogen auf den Leim gingen und schließlich vor den Trümmern ihrer Existenz standen?

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Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mir diese Arbeit ermöglicht haben, besonders bei meiner Fachlehrerin, Frau Dr. Gabriele Kreher, die diese Arbeit fachlich betreut hat, dem Chronik-Arbeitskreis Langenchursdorf, dessen umfangreichen Fundus zu diesem Thema ich nutzen durfte und bei Mr. Wayne Schuessler aus St. Louis, der mir die interessante Sichtweise eines Nachfahren der Auswanderer nahe brachte. Nicht zuletzt möchte ich mich auch bei den Mitgliedern der Jury des Wettbewerbs um den Sächsischen Landespreis für Heimatforschung 2020 bedanken, die meine Arbeit – für mich völlig überraschend – mit einem Schülerpreis auszeichneten. Herzlichen Dank an alle.
Maria Fleischer


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