David Pohle lebt mit seiner Freundin in Schönberg auf einem Vierseithof im Ortsteil Tettau. Das Gehöft wurde ca. 1690 erbaut und im Laufe der Zeit öfters an- bzw. umgebaut. Es steht unter Denkmalschutz.
Mit der Sanierung des Wohnhauses wurde 2018 -teils aus LEADER-Mitteln finanziert- begonnen. Das Ober- und das Dachgeschoss wurden komplett erneuert, da Holzwurm und Hausbock hier ganze Arbeit geleistet und die Balkenkonstruktionen fast völlig zerstört hatten. Kurz vor Weihnachten 2018 war es dann soweit und beide konnten in den umgebauten Hof einziehen. Aktuell geplant ist u.a., das Dachgeschoss im lichtdurchfluteten „Stil“ auszubauen.
Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagiert sich David Pohle für die Wirtschaftsjunioren Glauchau e. V. (https://www.wj-glauchau.de/) und ist dort im Vorstand tätig. Zudem ist er aktiver Fußballspieler der Spielgemeinschaft SV Schönberg/Oberwiera.
Wie ein solch komplexes Bauvorhaben möglichst reibungslos funktionieren kann, haben wir in unserem Interview nachgefragt. Darüber hinaus sprachen wir mit David Pohle über aktuelle Themen wie den Klimawandel und die Digitalisierung.
Herr Pohle, warum haben Sie ausgerechnet dieses Objekt saniert?
Der Hof war schon immer in Familienbesitz und meine Eltern wohnen immer noch gleich nebenan. Dieser Vierseithof gehörte damals meinen Großeltern und wir waren insgesamt eine sehr große Familie. Für mich stand schon früh fest, dass ich selbst auf dem Hof eines Tages wohnen will und letztlich hat meine Großmutter mir das Objekt auch übertragen. Sie wohnte bis zum Jahr 2017 im Erdgeschoss. Ich selbst zog schon viele Jahre vorher in das unsanierte Obergeschoss. Natürlich hatten wir ein paar Modernisierungsmaßnahmen bereits im Vorfeld durchgeführt, zum Beispiel wurde die Elektrik erneuert. Ebenso hatten wir begonnen die anderen Gebäude des Gehöfts zu sanieren.
Die damaligen Deckenhöhen betrugen gerade einmal 1,98 Meter, was den Lebensstandard schon erheblich einschränkte. Als es meiner Oma nicht mehr möglich war, selbstständig auf dem Hof zu leben und sie in ein Pflegeheim umzog, haben wir begonnen uns Gedanken zu machen, wie wir das Wohnhaus des Hofes umbauen können. Für mich stand fest, den Umbau erst durchzuführen, wenn meine Oma nicht mehr im Haus lebt.
Meine Freundin war zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Studium in Leipzig fertig und ist dann zu mir gezogen. Bevor wir planen konnten, ging es natürlich darum, wie wir die Finanzierung aufstellen können, um diesen umfangreichen Umbau zu realisieren. Anfangs hatten wir keine genaue Vorstellung davon, was so ein Umbau wirklich an Kosten mit sich bringt. Wir sind auf die LEADER Förderung aufmerksam geworden, die wir glücklicherweise für uns generieren konnten, wodurch das Vorhaben tatsächlich auch finanziell für uns realisierbar wurde.
Für uns war wichtig, dass wir das Haus, soweit möglich und sinnvoll, so wiederherstellen können, wie es damals gebaut wurde. Wir wollten unabhängig vom Denkmalschutz den Charakter des alten Bauernhauses in gewissen Maßen erhalten. Immerhin hatten wir uns bewusst dafür entschieden einen Umbau bzw. Ausbau statt eines Neubaus durchzuführen. Dank unserer Zimmerleute konnten wir Teile des alten Fachwerks größtenteils, wenn auch nicht in seiner ursprünglichen Funktion, erhalten. Überall im Haus befinden sich sichtbare Balken, die aus dem alten Dachstuhl oder dem Fachwerk gesichert werden konnten, sodass wir jeden Tag an die Geschichte des Hauses erinnert werden. Zudem ist es uns bzw. den Treppenbauern gelungen, Elemente unserer alten Treppe zu erhalten und wieder zu verwenden.
Gibt es Überlegungen, noch andere Gebäude auf dem Vierseithof für die Errichtung von Wohnungen umzubauen?
Es sind in den Nebengebäuden extreme Eingriffe notwendig. Das könnte perspektivisch etwas werden, aber für uns war es damals primär und wichtig, in das eigentliche Wohnhaus einzuziehen. Nicht zuletzt hat uns ein Freund von seinen Erfahrungen berichtet, wie teuer so ein Umbau der anderen Gebäude werden kann.
Im dörflichen Leben wird doch sicherlich die „Nachbarschaftshilfe“ großgeschrieben?
Ohne Freunde und Nachbarn hätten wir unser Bauvorhaben sicher nicht realisieren können. Zur ‚Nachbarschaftshilfe‘ zählt natürlich nicht nur das tatsächliche ´mit anpacken´, sondern auch das Verständnis und die Geduld, die alle Nachbarn aufgebracht haben während der gesamten Bauphase. Tatsächlich angepackt haben beispielsweise meine Fußballerkollegen. Fast die gesamte Mannschaft hat geholfen, das komplette Dach an einem einzigen Tag abzudecken. Ohne die vielen Helfer hätten wir das nie so schnell geschafft. Die Geschwindigkeit war aber auch wichtig, denn direkt danach kamen die Zimmerleute und haben den alten Dachstuhl entfernt.
Wir konnten einige Arbeiten an dem Gebäude selbst erbringen. Uns kam natürlich ebenso das sommerliche Wetter zugute und wir haben die Zeit genutzt, um abends bis 21:30 Uhr zu arbeiten. Somit waren die Voraussetzungen geschaffen, dass wir zwei Tagen vor Weihnachten im Jahr 2018 tatsächlich einziehen konnten!
Herr Pohle, ist das nicht aber ein wesentlicher Unterschied zum städtischen Leben. Hier wo man sich kennt, da hilft man sich ganz selbstverständlich untereinander?
Vom Grundsatz her stimmt das. Es kommt aber natürlich immer auf den Einzelnen an. Es gilt auch ‚auf dem Dorf‘, Freundschaften zu pflegen. Möglicherweise sieht es in den Städten etwas unpersönlicher aus. Hier im Dorf kann ich zum Beispiel zu jedem Nachbarn gehen und ihn fragen, ob er mir hilft. Das wird dann auch umgehend in die Tat umgesetzt. Jeder nimmt sich die Zeit, um für den anderen da zu sein. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. So bin ich auch groß geworden, selbst als Kind habe ich bei meinen Nachbarn aktiv mitgeholfen und habe einfach mit angepackt.
Das Dorf kann wie eine große Familie sein. Um das zu fördern, sollte man im Gegenzug auch bei den Dorfaktivitäten mit dabei sein, um die Gemeinschaft zu leben. Man muss für diese Art von Gemeinschaft oder Kontakte selbst offen sein und die Fähigkeit mitbringen, sich selbst in die Gemeinschaft einzubringen. Es kommt immer auf einen selbst an! Ich bin froh, dass wir in Tettau eine solche Gemeinschaft leben und der Zusammenhalt groß ist.
Klimaschutz ist ja momentan das Thema schlechthin bzw. es ist in aller Munde. Sie haben in ihrem Antrag darauf verwiesen, dass sie beim Ausbau des Dach- und Obergeschosses energetische Maßnahmen umsetzen wollten. Inwieweit konnten Sie diese Sachen realisieren?
Wir konnten die energetischen Maßnahmen wie geplant umsetzen. Man muss natürlich berücksichtigen, dass es sich hierbei um ein sehr altes Gebäude aus dem 17. Jahrhundert handelt, das vor dem Umbau im wahrsten Sinne des Wortes in die Jahre gekommen ist. Zudem steht das Haus unter Denkmalschutz. Energetische Maßnahmen können dann natürlich nicht in solchem Umfang durchgeführt werden, wie bei einem Neubau. Wir haben auf unserem Vierseithof auf einem sanierten Nebengebäude eine Photovoltaik-Anlage eingebaut. Bei unserem Gebäude war es nicht möglich, da die Himmelsausrichtung es nicht zulässt. Allerdings haben wir im Wohnhaus eine neue Gastherme eingebaut. Nach Rücksprache mit bekannten Heizungsmonteuren sind wir davon abgekommen, eine Holz-Pellet Anlage zu installieren, die uns am Anfang vorschwebte. Es wurde eine Fußbodenheizung in allen Etagen eingebaut und wir haben gezielt auf die effektive Dämmung des Hauses geachtet. Da haben wir inzwischen eine deutlich bessere Wärmeausbeute, als vor dem Umbau. Auch unseren alten Kachelofen haben wir in das Heizungssystem integriert, sodass wir auch Verwendung für das auf dem Hof anfallende Holz haben.
Herr Pohle, wie ich Sie verstanden habe, hat die Zusammenarbeit insbesondere mit dem Denkmalschutz hervorragend funktioniert?
Das kann ich so nur bestätigen. Wir haben von Anfang an das Gespräch gesucht und konnten feststellen, dass das Denkmalschutzamt auch an einem regen Informationsaustausch interessiert war. Kommunikation hat unsere Zusammenarbeit gefördert. Ebenso war die Kooperation mit dem Bauamt optimal. Was nicht unerwähnt bleiben sollte ist, dass die am Bau tätigen Firmen aus unserer Region einen wirklich exzellenten Job gemacht haben.
Thematisch gesehen ein Stepp in eine andere Richtung: Sie waren bei unserem Digitalisierungsworkshop mit dabei, den die LEADER-Region im Februar 2019 veranstaltete. Wie sehen Sie die Digitalisierung in Tettau voranschreiten?
Es sieht also tatsächlich so aus, dass bei uns in Tettau Glasfaserkabel verlegt worden ist. Die Problematik besteht jetzt nunmehr darin, diese an die entsprechenden Umschaltstationen anzuschließen. Wir hatten uns bisher mit Richtfunk beholfen, der über die Dörfer und die Kirchtürme funkte bzw. empfing und dafür eigens einen Verein gegründet. Der Richtfunk wird im Dezember 2019 abgeschaltet, da die Telekom inzwischen alles umgeschaltet hat und wir demnächst immerhin eine 16.000 MB Leitung haben werden. Also können wir sagen, es ist tatsächlich etwas passiert.
Da schließt sich die nächste Frage direkt von uns an. Mit so einer Leitung könnte man sicherlich auch über das Arbeiten im Home-Office nachdenken?
Das ist richtig. Ich bin als Selbstständiger jemand, der jederzeit erreichbar sein muss. Da arbeitet man ständig auch von zuhause aus. Aber auch die Arbeit im Vorstand der Wirtschaftsjunioren führt dazu, dass man häufig von zuhause aus arbeiten und agieren muss. Aber an diesem Punkt möchte ich ebenso anmerken, dass es auf dem Land relativ wenig Selbstständige gibt. Vielleicht verändert sich dies ja mit den neuen Möglichkeiten.
Sie haben im Vorstand der Wirtschaftsjunioren sicherlich auch Ansätze der Digitalisierung im Sinne neuer Arbeitsformen wie Coworking Space oder der Entwicklung von interessanten Apps in der Region kennengelernt. Könnten Sie uns dazu Beispiele benennen?
Also aus meiner Sicht ist es sicherlich eine Art von Mix vieler Herausforderung, die man bei der Realisierung beziehungsweise Umsetzung von solchen Projekten hat. Wenn man zum Beispiel sowas wie Coworking einrichten möchte, gibt es sicherlich recht unterschiedliche Interpretation, was es damit auf sich hat und wie die Realisierung eines Coworking Space von statten gehen kann.
Es reicht nicht aus, einen Raum zu stellen, ihn dementsprechend anzustreichen mit ein paar Tischen ausstatten und ihn als Coworking Space zu bezeichnen. Ich selbst habe mir einen Coworking Space, das Q-HUB Chemnitz, angesehen, um mir selbst ein Bild davon zu machen. Dort wo Studenten agieren, sich in dieser Form ausprobieren und mit der Materie anderweitig auseinandersetzen, funktioniert das hervorragend. Obendrein ist es eine sehr gute Idee. Aber wenn man sich beispielsweise die Situation auf dem Dorf ansieht, dann muss man sich auch die Frage stellen, wie viel Studenten oder andere Leute, die das nutzen könnten, wohnen hier?
Das ist wohl auch ein Grund, warum die diesbezügliche Entwicklung begrenzt ist. Zum anderen kann beispielsweise die ältere Generation mit Begriffen wie Coworking nichts anfangen. Die Digitalisierung mit all seinen Möglichkeiten stellt vor allem auch die ältere Generation häufig vor eine große Herausforderung. Deswegen wäre es viel besser, wenn man es schaffen würde, eine Plattform zu schaffen, die die Generationen verbindet, wo die jüngere Generation der älteren dies alles erklären könnte.
Im Gegenzug könnte zum Beispiel die ältere Generation den jüngeren vermitteln, wie man zum Beispiel einen leckeren Apfelkuchen backt oder die heimischen Obstbäume verschneidet. Das wäre sicherlich für beide Parteien eine WIN-WIN Situation im Sinne von Wissenstransfer.
Was wir für die Entwicklung und für weitere Ideen benötigen sind Menschen, die sich dafür engagieren. Und da muss man feststellen, dass die potentiellen „Macher“ (mit entsprechenden Kenntnissen) häufig über zu wenig Zeit verfügen, um so etwas umzusetzen.
Also braucht es jemanden, der sich vorn dran stellt?
Ja. Das klassische Beispiel, wo es sehr gut funktionierte, haben wir beim letzten Digitalisierungsworkshop in Gersdorf kennenlernen dürfen. Dort hat der Bürgermeister von Augustusburg doch sehr klar demonstriert, dass, wenn sich jemand vorn dran stellt und eine Idee verwirklichen möchte, es dann auch funktionieren kann. Das steht und fällt immer mit den Leuten, die so was dann nach vorne bringen. Ich will natürlich nicht sagen, dass es nicht auch reichen kann, wenn sich ein paar Freunde zusammentun und ihre Ideen versuchen zu realisieren. Es gibt viele Möglichkeiten und kein Erfolgsrezept.
Mit den Wirtschaftsjunioren arbeiten wir auf verschiedenen Baustellen. Uns geht es primär darum, die Wirtschaft zu unterstützen und zu stärken. Wir sind nicht nur am Thema der Digitalisierung dran, sondern auch auf Nachwuchssuche. Uns bedrückt die Tatsache, dass uns wie auch vielen anderen gemeinnützigen Vereinen der Nachwuchs fehlt. In den Schulen wird das Fach „Wirtschaft“ nicht mehr in dem Umfang gelehrt, wie es aus unserer Sicht nötig wäre. Deshalb versuchen wir, die jungen Leute für etwas Neues zu sensibilisieren. Dazu gehen wir als Wirtschaftsjunioren in die Schulen und platzieren dort Themen, die die künftigen Auszubildenden für ihre Zukunft benötigen.
Ziehen sich die Leute mehr ins Private zurück und bringen das Engagement demzufolge nicht mit?
Das Engagement bringt man häufig dann mit, wenn es auch die Eltern ein Stückchen vorleben. Bei vielen Jugendlichen stellt man fest, dass sie sich zunehmend hinter den PC´s oder Smartphones verstecken, sich als Blogger oder Influencer versuchen, sozusagen im Internet leben und dabei den Anschluss an die reale Welt verlieren. Dadurch besteht kaum Interesse, sich für andere Sachen zu engagieren. Das wirkt sich z.B. auch auf unseren Fußballverein aus. Hier müssen wir etwas unternehmen, um die Jugend wieder für den Sport zu begeistern.
Stichwort Schule und Nachwuchs: Derzeit versuchen wir in den LEADER Regionen des Zwickauer und des Schönburger Landes mit einem Bildungsprojekt an die Grundschulen bzw. Dorfgemeinschaftshäuser zu gehen. Mit dem Projekt wollen wir neue Bildungsansätze im Bereich des Programmierens mit Grundschülern erproben und die Lehrer dafür sensibilisieren, sich mit einer neuen Form von Projektarbeit zu beschäftigen. Das Projekt nennt sich „LEADER tüftelt – Junge Erfinder in ländlichen Regionen“ und wir werden demnächst auf unserer Internetseite berichten. Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht solche Themen?
Das halte ich zum Beispiel für sehr wichtig. Das Thema der Digitalisierung darf nicht zu kurz kommen, keine Frage. Aber vielleicht vergessen wir hier und da, auch die ganz klassischen Handwerksbetriebe und ihre Nachwuchsprobleme. Hier würde ich es begrüßen, wenn wir einen Mix finden könnten. Zum Beispiel, wenn man jungen Leuten die Handwerksbetriebe bei einer Exkursion direkt vor Ort vorstellt. Mit dieser direkten Berührung können die Jugendlichen besser einschätzen, was sie in Zukunft möglicherweise noch lernen könnten.
Mit den Wirtschaftsjunioren unterstützen wir den Wettbewerb „Wirtschaftswissen im Wettbewerb“. Das ist ein bundesweiter Wettbewerb, für welchen wir in die neunten Klassen von Schulen gehen und einen Wissenstest durchführen. Dieser enthält anspruchsvolle, aber grundlegende Fragen aus Politik und Wirtschaft.
Was wir feststellen ist, dass wir an Gymnasien kaum noch Schüler finden, die einen Handwerksberuf ausüben wollen. Wenn, dann sind es meist die Eltern, die selbst eine Firma haben. Mit etwas Glück, übernehmen die Kinder diesen Beruf oder die Funktion.
Meine Auffassung ist, dass man den Jugendlichen die Perspektiven auch in diesen Berufen näherbringt und praxisnah veranschaulicht werden sollte. Wir haben in diesem Zusammenhang die Erfahrung gemacht, dass die Lehrer für das von uns angebotene Format „Firmen stellen sich selbst vor!“ sehr offen sind. Das könnte auch von Handwerkbetrieben stärker genutzt werden.
Herr Pohle, wir konnten viele neue Aspekte und Ideen mitnehmen. Vielen Dank für dieses nette Gespräch in ihrem „neuen Zuhause“, das übrigens wirklich gelungen ist. Kompliment!