Interview mit Robby Hammer vom Luisenhof

Portraitfoto von Robby HammerRobby Hammer ist Vorstandsmitglied des Vereins Heilpädagogisch-Künstlerisches Therapeutikum Chemnitz e.V., Bewohner und Mitbegründer des Luisenhofs.
Der Luisenhof ist ein großer denkmalgeschützter und städtebaulich prägnanter Vierseithof in der historischen Ortslage von Langenchursdorf, Waldenburger Straße 33 der Gemeinde Callenberg.

Das Heilpädagogisch-Künstlerische Therapeutikum Chemnitz e.V. als anerkannte Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung erwarb den Vierseithof 2009 und gestaltet seitdem das traditionelle Landwirtschaftsgehöft zu einem Lebensort für die Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit etwa 10 verantwortungstragenden Mitgestaltern und deren eigenen Kindern und für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, welche einen besonderen sozialpädagogischen Betreuungsbedarf haben. Aktuell leben hier 24 Menschen.

Frage: Warum habt ihr Langenchurchsdorf ausgewählt, um hier zu wohnen und zu arbeiten?

Robby Hammer: Meine Familie kommt aus Limbach-Oberfrohna. Das ist ja nicht weit entfernt. Es war auch ein wenig biografisch bedingt. Prägend war für mich 1996 die Waldorf-Szene bzw. deren Gedanken. Dann kam ein Moment, wo ich selber gemerkt habe, das alte Lebensmodell funktioniert nicht mehr. Ich selbst bin ausgebildeter Bauingenieur. Meine Frau Heidi und ich haben dann 2009 die Entscheidung gefasst, mit anderen Gleichgesinnten auf einen Bauernhof zu ziehen. Anfänglich waren wir nur 12 Personen. Wir haben unser Einfamilienhaus verkauft und Marcos Familie als Mitbegründer, der berufsmäßig sich auch damals schon als Landwirt betätigte, verkaufte seine Maschinen. Damit hatten wir unser Startkapital für den Kauf des Luisenhofes. Ich habe in der Zeit u. a. auch ein Fernstudium der Waldorfpädagogik machen können. Für mich war klar, es sollte etwas berufliches Neues entstehen, in Richtung Pädagogik mit einem sozialtherapeutischen Ansatz.

Foto des Luisenhofes.

Frage: Robby, das Angebot vom Luisenhof ist sehr breit gefächert. Neben der therapeutischen Ausrichtung gibt es das Hofcafé. Versteht ihr euer Café auch als Kommunikationsangebot für die Öffentlichkeit?

Unser Café ist eine öffentliche Einrichtung, die einmal im Monat für Jedermann geöffnet ist. Die Leute, die einmal bei uns waren, erzählen das Erlebte persönlich weiter. Wenn das so passiert, hat es eine ganz andere Qualität. Das kannst du gar nicht mittels eines Flyers rüberbringen. Wir sehen, dass die Besucher uns persönlich begegnen wollen und so den direkten Kontakt und das Gespräch mit uns suchen. Sie wollen wissen, was wir hier machen und was hier im gesamten passiert. Auch Bewohner, die in der ländlichen Region selbst aktiv werden wollen, fragen bei uns nach und sind an diesem direkten Erfahrungsaustausch mit uns interessiert. Anderes Beispiel, da ist z. B. die 84-jährige ältere Dame, die ihre Freunde zu ihrem Geburtstag einlädt, hier feiert und selbstgemachten Bio-Kuchen genießt. Diese Form der Begegnung spricht sich rum und das empfinden wir als tolles Erlebnis. Es ist sicherlich ein Begegnungsort abseits des üblichen Mainstreams.

Frage: Eure Biografie und die der Entstehung des Luisenhofs, wie er sich heute darstellt, kommen mir wie eine Erfolgsstory vor. Daneben kreiert ihr immer neue Projekte, wie z. B. das „Grüne Klassenzimmer“ oder den „Rosenhof“. Ist euer Engagement überhaupt zu bremsen?

Wie ich es formulieren würde: Es passiert uns und die Menschen finden hier her und wollen etwas entwickeln. Vielleicht ist uns hier an diesem Ort etwas gelungen, was die Sehnsucht der Menschen anspricht. Einige von ihnen erkennen plötzlich, das Leben in unserer Gemeinschaft könnte ein neuer, wichtiger Lebensentwurf werden, der für sie bestimmt ist. Aktuelle Projekte, wie das „Grüne Klassenzimmer“ wurden jetzt im Rahmen der LEADER-Entwicklungsstrategie 2016 als Projekt genehmigt. Auch der „Rosenhof“ hier im Ort, der keine Förderung erfahren hat, wird Ende 2016 soweit fertiggestellt sein, dass eine Wohngruppe dort einzieht. Er hat mehr einen Werkstattcharakter, während der Luisenhof stärker den öffentlich wirksamen Part verkörpert. Ja, unser Handeln tut uns allen gut.

Gästehaus auf dem Luisenhof.Frage: Eure Experimentierfreudigkeit ist wirklich erstaunlich. Wie schaut es mit den von Euch zu betreuenden Jugendlichen und den neuen Medien, sprich dem digitalen Angebot hier in der ländlichen Region aus?

Bis vor 4 Jahren hatten wir tatsächlich noch ein Angebot, was eher einer alten ISDN-Leitung ähnelte. Dann wurde es aber besser und wir können heute den Jugendlichen und natürlich uns selber immerhin eine 25 MB Leitung anbieten. Die Jugendlichen ab 15 Jahren haben die Möglichkeit, in der Zeit von 19-22 Uhr ins Internet zu gehen. Aber sie benötigen auch eine lebensbejahende Praxis. Wir hatten vor kurzem 14 Schüler, die bei uns 3 Tage wohnten und hier an einer herzustellenden Lehmziegelwand mit ihren Händen arbeiten konnten. Sie sahen was sie machten und selber herstellten. Das ist auch ein ganz wichtiges Angebot, um Jugendliche etwas selber tun zu lassen und ihnen die Praxis zu vermitteln.

Frage: Die Akzeptanz bei den Ämtern und sozialen Trägern habt ihr euch sicherlich erarbeiten müssen?

Das ist wahr. Anfänglich waren viele gegenüber unserem Tun auf dem Luisenhof skeptisch. Das legte sich und viele waren plötzlich sogar neugierig nach dem Motto: Was passiert denn tatsächlich dort? Sie erkannten dann, dass auch die Umgebung für die zu betreuenden Jugendlichen, die kaum noch in einer anderen therapeutischen Einrichtung unterzubringen waren, für die Jugendlichen doch optimal ist. Die Leute von diversen Trägern erkannten zudem, hier an diesem Ort existiert ein eigener und spezieller Spirit (Geist).

Frage: Du hast ja selbst schon das Thema der aktuellen und umzusetzenden LES „Schönburger Land“ angesprochen. Ihr betreibt ja selber eine Form der ökologischen Landwirtschaft und hier die Frage: Gibt es Kooperationen in der Region und mit wem geht das überhaupt?

Wir betreiben selber das sogenannte Modell der „Solidarischen Landwirtschaft“. Das kommt aus den Staaten und wird dort mit CSA (Community-supported agriculture ) bezeichnet. Übersetzt würde das heißen, es ist ein neues Modell der öffentlichen Grundversorgung. Die Familie aus dem Dorf möchte gesundes Bio-Gemüse und den Erzeuger selbst kennen. Als Betreiber gehen wir eine enge Bindung mit unseren Konsumenten ein und kooperieren. Diese zahlen wiederum einen Mitgliedsbeitrag. Das bedeutet, dass wir 50 Familien versorgen und regelmäßig beliefern. Die Ernte wird somit bei uns wöchentlich geteilt. Das ist etwas Neues. Wenn wir dann noch Überschüsse haben, gehen diese an den Guidehof (in Limbach-Oberfrohna / Uhlsdorf) oder kommen zum Verkauf in Dorfläden. Wir besitzen selber die DEMETER-Klassifizierung (Demeter ist das Markenzeichen für Produkte aus biologisch-dynamischer Wirtschaftsweise) für unseren Betrieb. Aber wichtig ist in diesem Kontext, dass das Geschehen um die Landwirtschaft herum, selber ein wichtiger Aspekt unserer heilpädagogischen Ausrichtung ist.

Frage: Du bist selber Mitglied in einem der 4 Arbeitskreise der Lokalen Aktionsgruppe des LEADER-Gebietes „Schönburger Land“. Wie siehst/ beurteilst du denn die Projekte und gab es vielleicht auch überraschendes, was der Koordinierungskreis bisher genehmigt hat?

Also das Projekt „Hochzeitskapelle“, dass ja auch kontrovers diskutiert wurde, ist etwas besonderes. Das hätte z. B. in der vergangenen ILE-Periode nie platziert werden können. Da hat unsere LES schon innovativen Charakter und lässt auch NEUES zu. Das finde ich persönlich gut. Das zudem die WISO-Partner mit ins Boot geholt wurden, die wiederum ihr Engagement in den Prozess einbringen, das hat eine neue Qualität. Es gilt ja auch mit besonderen Ideen, den ländlichen Raum zu entwickeln.

Robby vielen Dank für das Interview.

Mehr Informationen, z. B. dass man hier seinen Natururlaub verbringen kann, finden Sie auf der Internetseite: http://www.luisenhof-gemeinschaft.de/

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Das Porträtfoto wurde von Robby Hammer zur Verfügung gestellt. Das Interview führte Detlef Apolinarski vom Regionalmanagement Schönburger Land.

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