Zu Gast am Hofe zu Lichtenstein

Menübeispiel aus dem Lichtensteiner Küchenbuch
vom 14. Oktober 1720

Der folgende Auszug aus dem Küchenbuch des Grafen Otto Wilhelm von Schönburg-Lichtenstein (1678–1747) gibt einen kleinen Einblick in die barocke Tafelkultur des frühen 18. Jahrhunderts. Herrschaft und Dienerschaft speisten dabei getrennt, und zwar nicht nur in verschiedenen Räumen, sondern auch zu unterschiedlichen Uhrzeiten. Das Hofpersonal nahm seine Mittagsmahlzeit je nach Rang beispielsweise bereits um 11 Uhr am Kammertisch oder schon um 10 Uhr am Beitisch ein.

Hochgräfliche Taffel[verm. die Tafel der
jungen Herrschaft]
Camertisch und Beytisch
Pullion SuppeKräuter SuppeSuppe
Rag[out] von HaasenLambfl[eisch] m. PasternatRindfleisch
gebratene Rebhünergebratene Lerchen (13St)Kraut
EyerstrudelÄpfel Kuchen

Am Beitisch speisten unter anderem die niederen Bediensteten, darunter ein Kutscher, ein Vorreiter, ein Reitknecht, zwei Lakaien und die zwei Waschmägde, während am Kammertisch zwei Pagen, der Kammerschreiber, zwei Kammermädchen, eine Kinderfrau, der Kammerdiener des Herrn und der Kammerdiener des gräflichen Sohnes zu finden waren. Nachdem das Personal in der Kammertischstube gespeist hatte, nahm sich die Herrschaft das Mittagsmahl um 12 Uhr in der großen Tafelstube ein. Interessant ist dabei, dass in Lichtenstein für diese Tische extra gekocht wurde. Die Reste von der Tafel der Herrschaft wurden also nicht einfach so an die Dienerschaft weitergegeben. Grundsätzlich unterschied sich das Menü jedoch nur wenig von unserem heutigen Speiseplan.
Die größten Unterschiede bestehen darin, dass die Hofangehörigen nur zwei Mahlzeiten am Tag kannten: das Mittag- und das Abendessen, die sich in der Menüfolge nur wenig unterschieden. Darüber hinaus wurden einige Lebensmittel wie Kartoffeln und Tomaten, die aus unserem heutigen Leben kaum mehr wegzudenken sind, an den Höfen des 18. Jahrhunderts noch nicht konsumiert. Als Beilage, ähnlich der Kartoffel, diente stattdessen das „Pasternat“ bzw. die „Pasternat-Wurzel“, heute besser bekannt als Pastinaken-Wurzel. Die Tatsache, dass auch Singvögel im 18. Jahrhundert beliebte Speisen waren, belegt indessen die Erwähnung von Lerchen und Zippen im Lichtensteiner Menü. Bei den Zippen handelt es sich um Wacholderdrosseln, eine beliebte Speise auf den barocken Tafeln des Adels. Die Drosseln fraßen mit Vorliebe Wacholder, wodurch ihr Fleisch diesen Geschmack annahm. Beliebt waren in Lichtenstein darüber hinaus Süßspeisen sowie Torten und Gebäck. Dafür wurde eigens ein Konditor angestellt, was an den vergleichsweise sparsamen Höfen der Schönburgischen Grafen keine Selbstverständlichkeit war. Die folgende Liste enthält weitere Beispiele für Suppen und Nachtische, die am Lichtensteiner Hof gekocht, gebacken und gegessen wurden.

Suppen:
Wassersuppe
Nudelsuppe
Biersuppe
Rahmsuppe
Schwäbische Suppe
Kräutersuppe
Pullion Suppe
Macaron Suppe
Portulac Suppe
Reis Suppe
Spinatsuppe
Hagebuttensuppe
Pistacien Suppe

Nachtische:
Torte crocant
Mandeltorte
Torte von eingemachtem Johannisbeertorte
Eierstrudel
gebackene Schneebälle
Schmalzgebackenes
Äpfel aus Schmalz gebacken

Foto: Pixabay

Rezepte, die direkt von den Schönburgischen Höfen stammen, haben sich leider nicht erhalten. Historische Rezepte für die einzelnen Gerichte, lassen sich dennoch finden. Im Folgenden soll zunächst ein Beispielrezept für eine Hagebuttensuppe gegeben werden, welches im Jahre 1745 im Leipziger Kochbuch erschien. Da die Schönburger häufig auf den Leipziger Messen zu finden waren, ist nicht auszuschließen, dass sie das Rezept vielleicht gekannt und übernommen haben.

„10. Hanbutten-Suppen
Koche die Hanbutten erst in halb Wasser und halb Wein, thue dann ein wenig ganze davon in einen Tügel; füge grosse Rosinen zu den ganzen Hanbutten, auch Zucker, ganzen Zimmet, und laß es alles zugedeckt kochen. Dann schneide halbe Semmeln, daß die Ober-Rinde oben bleibe und noch einmahl von einander geschnitten und ausgehölert werde. Solche vier Stücke röste in Fette, lege sie in die Schüssel, mache denn von Rosinen und Hanbutten einen Krantz um den Schüssel-Rand; hinter dießen lege halbe Schittgen Citronen, und geuß dann die Hanbutten-Suppe auf die Semmel.“

Der gesamte Artikel einschl. historischem Rezept und Quellenverweise finden Sie im PDF-Dokument, das Sie hier herunterladen können:

Foto: Pixabay

Die Fotos dienen der Illustration. Das erste Foto wurde vom Regionalmanagement erstellt.

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