Was tun, wenn die alten Praxisräume zu eng werden? Frau Wülfrath hat ein neues Gebäude für ihre Landarztpraxis gesucht, um ihre vielen Patienten auch zukünftig behandeln zu können. Gefunden hat sie ein kleines leerstehendes Wohnhaus nebst Grundstück direkt neben ihrer bisherigen Praxis, welches dann umgenutzt und durch einen Anbau erweitert wurde. Die neue Praxis mit modernen, freundlichen und funktionalen Räumen befindet sich in Bernsdorf in der Hauptstraße 226. Finanziell unterstützt wurde dieses ambitionierte Projekt mit Mitteln des EU-Förderprogramms LEADER der Region Schönburger Land.
In unserem Gespräch mit Ulrike Wülfrath war es wichtig zu erfahren, wie sich die Ärztin und ihr Team in ihre Praxis eingefunden haben. Aber wir sprachen auch über aktuelle Themen, wie die Telemedizin und wie es zukünftig um die Versorgung der Patienten in der Region bestellt ist.
Frau Wülfrath, warum war der Umzug in das neue Gebäude notwendig?
Die alten Räume sind zu klein geworden. In den letzten 10 Jahren haben wir ca. 35 % mehr Patienten zu betreuen. Zudem ist der bürokratische Aufwand wesentlich gestiegen. Im alten Gebäude hatten wir einen viel zu kleinen Anmeldungsbereich mit nur einem Computerarbeitsplatz. Dieser befand sich direkt im Wartezimmer. Durch den Datenschutz werden mittlerweile wesentlich höhere Anforderungen gestellt. Ungünstig war auch, dass die alte Praxis nicht behindertengerecht zugänglich war. Diese Patienten musste ich dann regelmäßig zu Hause aufsuchen. Aber eine medizinische Betreuung ist in den Praxisräumen doch wesentlich höherwertig und effizienter. So kann z.B. direkt ein EKG geschrieben werden oder eine Blutentnahme erfolgen. Davon profitieren alle unsere Patienten, da mehr Zeit für Sprechstunden an sich bleibt.
Warum sind Sie in Bernsdorf geblieben?
Nie hätte nicht den Ort gewechselt! Hier bin ich aufgewachsen, hier war meine Mutter über 40 Jahre lang als Hausärztin tätig und hier sind meine Patienten, die mich brauchen. Fünf Jahre war ich auf der Suche nach geeigneten Räumen, die auf Mietbasis zu beziehen waren. Der Mietaspekt war für mich ein finanziell wichtiger Grund. Denn meine Arztpraxis hängt ganz allein von meiner Arbeitskraft ab, d.h. wenn ich selber einmal länger oder gar ganz ausfallen würde, entsteht ein finanzielles Risiko. Außerdem verdiene ich keinen Euro mehr, nur weil ich in modernen barrierefreien Räumen praktiziere. Nach genauer Analyse gab es in Bernsdorf für mich keine Objekte, die geeignet waren. Hier spielen Aspekte hinein, wie gute Erreichbarkeit durch den ÖPNV, außerdem sollte die Praxis entsprechende Parkplatzmöglichkeiten bieten. Das alles hat das neue Gebäude und außerdem haben wir die mögliche Hochwassergefahr technologisch sehr gut gelöst- hoffe ich zumindest.
Seit dem ich 10 Jahre alt war, kennen mich die Leute von Bernsdorf und so fühlt man sich als Landärztin doch seinen Patienten sehr verbunden. Meine Mutter hat noch mit 72 Jahren als selbständige Ärztin gearbeitet. Das ich ihre Nachfolgerin hier im Orte werde, habe ich ihr damals als Versprechen gegeben. Ich bin der Meinung, dass ein Landarzt doch etwas Spezielles darstellt. Viele der Personen trifft man auf der Straße, wie z.B. deine damalige Lehrerin. So bleibt man doch den Leuten auf eine sehr persönliche Art verbunden. Obendrein kann man mit den Geschichten, die die Menschen erzählen, etwas persönlich anfangen. Da ist man wesentlich näher und intensiver bei seinen Patienten, sozusagen „Auf Augenhöhe“ und so möchte ich den Menschen immer begegnen.
Ihr Einzugsgebiet als Landärztin umfasst welchen örtlichen Raum?
Mein Kerngebiet ist Bernsdorf, Rüsdorf und Hermsdorf, allerdings sind auch Teile von Hohenstein-Ernstthal dabei. Ca. 20 % meiner Patienten kommen derzeit aus Hohenstein-Ernstthal, da dort leider eine Hausarztpraxis ersatzlos geschlossen werden musste. Es kommen allerdings auch ehemalige Bernsdorfer zu mir, die inzwischen weiter weg wohnen, wie z.B. aus Chemnitz oder Zwickau.
Wie sieht es aus mit neuen Arbeitsplätzen in der Region?
Uns ist es mit dem Umzug gelungen, sowohl einen Ausbildungsplatz als auch einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen. Die Kapazitäten hatten wir in der alten Praxis gar nicht. In unserem neuen Anmeldungsbereich arbeiten zwei Personen und in der separat geschaffenen Abmeldung ist ein weiterer Arbeitsplatz. So kommt es insgesamt zu einem reibungsloseren Ablauf für unsere Patienten.
Stichwort: Ärzte auf dem Land. Sie tauschen sich ja mit ihren ärztlichen KollegenInnen und Kliniken aus. Können Sie einschätzen, wie problematisch die Situation für die Bevölkerung im Schönburger Land ist?
Problematisch ist etwas zu stark formuliert. Der Hausarzt ist doch noch meistens wohnortnah anzutreffen. Das ist aber auch dem hohen Engagement meiner KollegInnen vor Ort zu verdanken. Das heißt, jeder geht auch an die persönlichen Grenzen seiner Belastbarkeit.
Wenn man allerdings die Altersstruktur der Ärzteschaft bedenkt, ist mit zunehmenden Engpässen zu rechnen, dort wo sich keine Nachfolger finden.
Fachärzte – da kommt es sicherlich auf die jeweilige Richtung an. Bei den Augenärzten, Neurologen, Rheumatologen oder den Orthopäden sieht es schon etwas enger aus. Aber vieles fangen wiederum Kliniken ab und gründen medizinische Versorgungszentren. Dabei bleiben z.B. Praxen weiter existent und angestellte Ärzte aus den Krankenhäusern bieten die Sprechstunden dort an. Die entstandenen Lücken werden so kompensiert, obwohl natürlich fast überall erhöhte Wartezeiten bestehen. Für unsere Patienten rufen wir oft selber an, um die Termine schneller zu vereinbaren.
Natürlich wünscht man sich noch den einen oder anderen Arzt mehr für die Region.
Die digitale Revolution findet ja auch im Gesundheitswesen statt und Patienten sollen künftig über elektronische Kommunikationsmedien betreut werden.
Was halten Sie von der Online Behandlung?
Ich kann mir vorstellen, dass es perspektivisch dazu kommen wird. Z. B. bei einem Krankheitsbild wie Brechdurchfall, da genügt möglicherweise eine Beratung via Telefon oder über die Onlinemöglichkeiten. Aber es wird ebenso immer Krankheitsbilder geben, wie unklare Bauchschmerzen, die muss und kann ein Arzt nur direkt am Patienten untersuchen. Bei älteren Patienten ist festzustellen, dass viele doch Probleme haben werden, die Telemedizin für sich zu akzeptieren. Aber ein heute 50 –jähriger Patient, der wird das zukünftig, technologisch ganz anders und selbstverständlicher nutzen. Nicht alles wird mit der Telemedizin umsetzbar sein und es wird sicherlich nicht den Großteil unserer Arbeit ausmachen.
Stichwort: Breitbandausbau und die Online-Behandlung. Können Sie das selber für sich und Ihre Praxis einschätzen?
Hier bei uns in Bernsdorf kann es zurzeit noch gar nicht funktionieren. Hier gibt es bis jetzt kein DSL. Wir haben uns mit diesen Gegebenheiten in unserer Praxis arrangiert. Aber von Jahr zu Jahr merkt man, dass die alten Kommunikationswege wie Telefon oder Fax nicht ausreichend sind. Hier sind z.B. notwendige Software-Updates zu nennen, die nur noch online zur Verfügung stehen. Die Zeiten, als die Updates per CD/ DVD kamen, sind vorbei. Auch unsere Praxisabrechnung funktioniert nur online. Deshalb muss ich die Daten per CD zu meinem Mann, er ist Facharzt für Innere Medizin, nach Oelsnitz bringen, damit er die dann für meine Praxis übermittelt. Das ist sicherlich nicht optimal, aber es geht gerade noch.
Für uns Ärzte gibt es immer mehr Angebote, wie das Ärzteblatt oder auch Fortbildungen, die Online angeboten werden. Viele Anbieter setzen nur noch darauf und bieten keine andere Alternative mehr an und damit wird das langsame und teils fehlende Internetangebot von Jahr zu Jahr immer hinderlicher für uns.
Frau Wülfrath hat sich für uns ein wenig ihrer kostbaren Zeit genommen. Viele ihrer Gedanken und Beobachtungen sind beachtenswert und informativ. Wir möchten uns an dieser Stelle für das nette Interview mit Ihnen als engagierte Landärztin bedanken. Ihnen, Ihrem Team und Ihren Patienten wünschen wir, was wohl, natürlich: Viel Gesundheit. Aber auch hier und da, etwas mehr Zeit für die eigene Familie.
Ausreichende Parkplatzmöglichkeiten finden die Patienten vor der Praxis. Ebenso ist ein barrierefreier Zugang geschaffen worden.