Interview mit Museumsleiter Peter Tauscher

-im Museum für Keramik und angewandte Kunst in Waldenburg im August 2025 –

mit Detlef Apolinarski (LEADER-Regionalmanager des Schönburger Landes)

Mitten in Waldenburg lädt das Museum für Keramik und angewandte Kunst (https://www.mkak-waldenburg.de) dazu ein, regionale Schätze neu zu entdecken. Im ehemaligen Werkstattgebäude der Töpferei Tauscher haben Peter Tauscher und seine Frau Dr. Sabine Tauscher über viele Jahre hinweg Kunstwerke gesammelt und Künstlerinnen und Künstler unterstützt. Entstanden ist eine facettenreiche Sammlung, die heute Besucherinnen und Besucher auf eine spannende Reise durch die Welt der Keramik und angewandten Kunst mitnimmt. Im Gespräch führt Peter Tauscher durch die Ausstellung und öffnet den Blick auf die Geschichten hinter den Exponaten.

Detlef Apolinarski:
Hallo Peter, da wir uns schon lange kennen, bleibe ich beim Du. Wir möchten von dir ein paar Informationen zum Museum erhalten – gern im Rahmen eines Interviews, das wir dann bei einem gemeinsamen Rundgang kennenlernen. Wo beginnen wir unseren Rundgang?

Peter Tauscher:
Wir starten in dem Raum mit dem größten Fundus. Dort befinden sich zahlreiche Arbeiten von Töpfern und Künstlern.

Peter Tauscher erklärt Besuchern Ausstellungsstücke von diversen Künstlern


Detlef Apolinarski:
Wir stehen nun mitten im Raum – bitte zeige uns doch einige Exponate.

Peter Tauscher:
Hier sehen wir ein Werk, das im Raku-Verfahren[1] entstanden ist – einer japanischen Technik. Die Keramikgefäße werden bei etwa 1.080 Grad gebrannt, glühend aus dem Ofen genommen und in Gräser oder Asche gelegt. Nach etwa einer Stunde holt man sie hervor und bespritzt oder taucht sie ins Wasser. Dadurch entstehen einzigartige Farb- und Formeffekte. Manche lassen sich beeinflussen, vieles ergibt sich jedoch durch den Rauch und die verwendeten Materialien. Typisch sind feine Risse in der Glasur sowie glänzende Farbtöne.

Detlef Apolinarski:
Eine sehr spezielle Technik also?

Peter Tauscher:
Ja, in Japan ist sie weit verbreitet. Viele Töpfer sehen in den Strukturen eine Art Zeichen oder Geschichte. Der Ton färbt sich tiefschwarz, während Muster und eingeritzte Ornamente glänzend hervortreten.

Detlef Apolinarski:
Mir fallen auch diese kleinen Tassen auf. Sie wirken fast wie Objekte aus der „Mailänder Schule“, vielleicht Alessandro Mendini aus den 70er- oder 80er-Jahren. Von wem stammen sie?

Peter Tauscher:
Das ist die Arbeit von Thomas Kummer, einem gebürtigen Waldenburger. Er führt heute eine kleine Werkstatt in Fürth und fertigt dort aufwendige Stücke – oft mit Oxiden oder Silber veredelt. Unter den Tassen findet sich auch sein Signet.

Detlef Apolinarski:
Und dieses Gefäß mit den muschelartigen Rillen. Wer hat das erstellt?

Peter Tauscher:
Das stammt von Gerd Lucke[2], ebenfalls ein Keramiker, der hier gearbeitet hat. Er wurde später ein bekannter Künstler und lebt heute in Born an der Ostsee. Seine Technik besteht darin, mit den Fingern Riefen in den Ton zu ziehen, wodurch diese organischen, muschelähnlichen Formen entstehen.

Blick ins Museum und seinen Übergängen in andere Räume


Detlef Apolinarski:
Mir fällt auf, dass viele Arbeiten Porträts oder Köpfe darstellen – das sieht man auch im Außenbereich vor dem Museum.

Peter Tauscher:
Das hängt vom jeweiligen Künstler ab. Hier zum Beispiel ist ein Werk von Egon Wrobel aus Zwickau, der schon als Student bei uns gearbeitet hat. Er experimentiert gern mit ungewöhnlichen Formen und fertigt Plastiken und Köpfe, die stark von seiner künstlerischen Haltung geprägt sind. Diese Arbeiten spiegeln auch die Seele des Künstlers wider.

Detlef Apolinarski:
Ich habe gerade die Stierdarstellung von Günter Rechn[3] bewundert, die auch als Wandmalerei bei dir hängt.

Peter Tauscher:
Ja, das ist von Rechn. Er ist einer der bekanntesten Maler hier in der Region, berühmt für seine Tierdarstellungen. Früher nannte man ihn sogar den „Hundemaler“. Heute malt er mit über 80 Jahren immer noch.

Detlef Apolinarski:
Auch andere Exponate scheinen eng mit regionalen Persönlichkeiten verbunden zu sein.

Peter Tauscher:
Richtig. Zum Beispiel Feliks Büttner – er bemalte bei uns zahlreiche Gefäße und Kugeln. Bekannt wurde er auch durch den „Kussmund“ an den AIDA-Schiffen. Oder Ina Kummer, die Mutter von Felix Kummer, der Chemnitzer Band Kraftklub. Sie gestaltet gern Fabelwesen und hat ebenfalls bei uns gearbeitet. Jeder Künstler bringt seine eigene Handschrift ein.


Detlef Apolinarski:
Die Vielfalt ist beeindruckend. Von expressiven Figuren bis zu abstrakten Motiven findet man hier alles.

Peter Tauscher:
Genau. Künstler wie Karl-Heinz Richter, der für seine Darstellungen üppiger Frauen bekannt ist, oder Dorothea Seifert aus Berlin, die Gesichter malt, tragen dazu bei. Auch Werke internationaler Künstler wie Walter Weiß aus Schweden oder Eva Skurberg bereichern unsere Sammlung. Jeder bringt seinen individuellen Stil ein – und ich lasse ihnen bewusst freie Hand.

Detlef Apolinarski:
Mir fällt auf, dass neben Keramiken auch zahlreiche Malereien und Objekte aus anderen Materialien zu sehen sind.

Peter Tauscher:
Ja, wir zeigen eine große Bandbreite: Acrylglasarbeiten von Frank Maibier, Metallarbeiten von Wolfram Schneider, Gemälde von Künstlern wie Jörg Steinbach oder Osmar Osten [4]. Viele dieser Werke sind Unikate oder Nachlässe. Manche Künstler haben uns kurz vor ihrem Tod ihre Sammlungen überlassen, um weiterzuwirken.

Kugelobjekte im Außenbereich des Museums


Detlef Apolinarski:
Das Museum ist also nicht nur Sammlung, sondern auch Begegnungsort.

Peter Tauscher:
Ganz genau. Wir arbeiten mit Hochschulen zusammen, veranstalten Ausstellungen und laden Künstler aus aller Welt ein. Hier kann jeder experimentieren und sich frei entfalten. Daraus entstehen spannende Kooperationen und ein lebendiger Austausch.

Neben der Keramik zeigen wir auch Werke aus Metall, die oft aus Nachlässen stammen. Viele Künstler wollten, dass ihre Arbeiten nach ihrem Tod weiterleben. So hat uns zum Beispiel Wolfram Schneider, ein bekannter Stahlgestalter, seine Sammlung anvertraut. Jede Arbeit erzählt eine eigene Geschichte – und genau das macht unser Museum lebendig. Auch abstrakte Kunst hat hier ihren Platz: Platten mit geometrischen Formen wie Quadraten oder Kreisen, die durch kräftige Farben beeindrucken. Manche Objekte reflektieren das Licht und schaffen spannende Effekte. Oft habe ich beim Betrachten das Gefühl, die Künstler seien noch immer präsent.

Ein Beispiel: Egon Wrobel, ein Zwickauer Künstler, der ursprünglich Schmuck studierte, später aber auch Keramik. Heute ist er über 80 Jahre alt und wird demnächst in Chemnitz ausgestellt. Mit solchen Persönlichkeiten verbindet uns eine lange Zusammenarbeit – auch durch Projekte mit der Hochschule Leipzig. Häufig entstanden in mehrwöchigen Aufenthalten Ausstellungen, die anschließend in Chemnitz gezeigt wurden. Es war immer spannend, mit diesen jungen Leuten zu arbeiten, die völlig frei ihre Ideen umsetzten.

Peter Tauscher erläutert Besuchern des Museums die unterschiedlichen Werke, die hier zu betrachten sind.


Detlef Apolinarski:
Also ist das Museum auch eine Plattform für internationale Begegnungen?

Peter Tauscher:
Ja, absolut. Erst heute waren zwei japanische Studentinnen hier – eine aus Chemnitz, eine aus Leipzig. Internationalität gehört für uns selbstverständlich dazu. Seit meiner Jugend arbeite ich mit Künstlern aus aller Welt zusammen. Ob Malerei, Drucktechniken oder großformatige Wandbilder: Wir haben vieles gemeinsam ausprobiert und umgesetzt. Dabei war mir immer wichtig, den Künstlern Freiheit zu geben. Nur so entstehen authentische Werke.

Detlef Apolinarski:
Zum Abschluss: Ich frage nach der, sagen wir einmal: „Herzensangelegenheit.“ Gibt es einen besonderen Moment oder eine Erfahrung, die deine Verbindung zum Museum besonders geprägt hat?

Peter Tauscher:
Für mich war es immer eine Freude, mit Künstlern zusammenzuarbeiten, ihre Werke auszustellen und neue Ideen umzusetzen. Ich habe mein Leben lang das getan, was ich vertreten konnte – und das hat mir ein Gefühl von Freiheit gegeben. Kunst ist Begegnung, Inspiration und Ausdruck. Sie bleibt lebendig, solange Menschen sie erleben und wertschätzen.

UNSER SCHLUSSWORT

Die Kunst lebt durch diejenigen, die sie erschaffen, ausstellen und erleben. In der Vielfalt der Techniken, Materialien und Geschichten spiegelt sich der kreative Geist und die Offenheit einer Gemeinschaft, die über Generationen und Grenzen hinweg verbindet.

Kunst ist nicht nur Ausdruck, sondern auch Begegnung und Inspiration – sie bleibt und wirkt weiter, solange Menschen –wie Peter Tauscher– sie teilen und wertschätzen.

„Ich habe mein ganzes Leben immer das gemacht, was ich vertreten kann. Und ich habe auch nicht irgendwas gemacht, was ich machen sollte. Eigentlich habe ich mich frei gefühlt.“
Zitat Peter Tauscher

Das Zitat von Peter vermittelt für mich, dass wahre Zufriedenheit und Selbstverwirklichung daraus entstehen, seinem eigenen Weg zu folgen und stets das zu tun, was man vertreten kann.
Seine Worte spiegeln eine Haltung wider, die sowohl Mut als auch Integrität verlangt: Mut, sich selbst treu zu bleiben, und Integrität, für das einzustehen, was man glaubt und fühlt.

Glasskulpturen im Außenbereich

EMPFEHLUNG

Wir empfehlen einen Besuch im lebendigen Museum, das vielfältige Bildungsangebote, einen Werkstattbetrieb sowie Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern präsentiert. Dabei erhalten Sie Einblicke in die eindrucksvolle Vielfalt internationaler Künstlerpersönlichkeiten und deren Werke (über 500) aus zahlreichen Ländern.

Nehmen Sie sich die Zeit und staunen Sie, wie wir es getan haben!

Mithilfe von LEADER-Fördermitteln durch den Verein Region Schönburger Land, konnten zwei Projekte am Museumsstandort finanziell gefördert und realisiert werden.
https://region-schoenburgerland.de/was-fuer-viele-schoene-bunte-sachen-kann-ich-doch-aus-ton-mir-machen

AUSSTELLUNG UND ÖFFNUNGSZEITEN

Es finden regelmäßig Ausstellungen und Veranstaltungen im Museum statt.
Führungen durch die Museumslandschaft:

Treffpunkt: Töpferstraße 8, 08396 Waldenburg

Anmeldung: per E-Mail an info@keramik-tauscher.de

Öffnungszeiten: Samstag/Sonntag von 13:00 – 17:00 Uhr und nach Vereinbarung

Ankündigung

Im Herbst dieses Jahres werden wir in seiner Töpferwerkstatt eine Wiederholung sowie ein Interview zu seiner Tätigkeit als Töpfermeister durchführen.


Fußnoten:

[1]  Raku bedeutet wörtlich „Freude“, „Wohlgefühl“ oder „Ungezwungenheit“. Es handelt sich um eine spezielle Brenntechnik, bei der die Keramikstücke rasch erhitzt und dann schockartig abgekühlt werden – oft in brennbarem Material wie Säge-mehl oder Laub.

[2] Gerd Lucke: Von 1965 bis 1975 war er Werkstattleiter an der Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle – Burg Giebichenstein.

[3] Günther Rechn (*14. März 1944 in Łódź, ehemals Litzmannstadt) ist ein deutscher Maler und Grafiker, der besonders in Ostdeutschland und Italien bekannt ist. Er zählt zu den bedeutenden Vertretern des gegenständlichen Realismus mit expressiven Elementen.

[4] Osmar Osten (*1959 in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz) ist ein deutscher bildender Künstler, der für seine spöttisch-ironischen Werke bekannt ist. Er gilt als Begründer der sogenannten Spottkunst, einer Kunstform, die mit Humor, Sarkasmus und gesellschaftskritischer Tiefe arbeite, Quelle: Wikipedia

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