Herr Seidel ist Vorsitzender des Vereins Region Schönburger Land e. V. Wir trafen uns mit ihm in unserer neuen Geschäftsstelle im September 2024, und unternahmen eine gemeinsame Zeitreise und sprachen ebenso über die zukünftigen Visionen des Schönburger Landes. Dabei gewannen wir ebenso faszinierende Einblicke in die bisherigen Erfolge und die spannende Arbeit des Vereins.
Herr Apolinarski
Herr Seidel, Sie sind seit vielen Jahren in der Region aktiv und haben sich besonders für das EU- Programm LEADER im Schönburger Land eingesetzt. Was hat sie ursprünglich motiviert, sich so stark für diese Initiative einzubringen?
Herr Seidel
Was mich motiviert hat, war vor allem die Tatsache, dass dieses Programm nur durch die Gründung eines eigenen Vereins umgesetzt werden kann. Dadurch haben wir die Möglichkeit, diese EU-Mittel direkt an unsere Bürger weiterzugeben. Das bedeutet, wir haben die Verantwortung, diese Mittel – immerhin knapp 6,58 Millionen Euro, die uns in den nächsten vier Jahren zur Verfügung stehen – sinnvoll zu verteilen und zu empfehlen.
Es war für mich besonders motivierend zu wissen, dass diese Gelder nicht ins Leere laufen, sondern tatsächlich für unsere Projekte und unsere Region genutzt werden können.
Herr Apolinarski
LEADER basiert auf einer basisdemokratischen Herangehensweise, bei der jeder, der die Region entwickeln möchte, mitmachen kann. Wie erleben Sie dieses Prinzip in der praktischen Umsetzung? Welche Vorteile und Herausforderungen sehen Sie darin?
Herr Seidel
Ja, genau. Die preußische, demokratische Herangehensweise zeigt sich bei uns besonders darin, dass unser Entscheidungsgremium – der Koordinierungskreis – eine breite Vertretung aus der gesamten Bevölkerung hat. Wir haben alle Schichten eingebunden: von Selbstständigen über engagierte Bürger bis hin zu den Bürgermeistern.
Jeder, der Interesse hat, kann im Koordinierungskreis mitwirken und mitentscheiden, welche Projekte umgesetzt werden. Die größte Herausforderung besteht natürlich darin, die vielen unterschiedlichen Meinungen zu bündeln und am Ende eine demokratische Entscheidung zu treffen. Dabei geht es darum, einen gemeinsamen Weg zu finden, um die Projekte zu empfehlen und sie dann zur Bewilligungsbehörde weiterzuleiten.
Herr Apolinarski
Lassen Sie uns einmal auf den Aspekt eingehen, was die Gründung und Ihr Engagement im Verein angeht. Sie waren maßgeblich an der Gründung des Vereins im Juni 2022 beteiligt.
Was hat Sie bewogen, diese Verantwortung zu übernehmen und sich so intensiv zu engagieren für die Region?
Herr Seidel
Man muss klar sagen, dass wir ohne die Gründung des Vereins, die ja von der Landesregierung gefordert wurde, die Fördermittel gar nicht hätten annehmen und verteilen können. Es war also notwendig, dass sich jemand vorwagt, und es ging nicht einfach nur darum, einen Verein zu gründen. Schon ein Jahr vor der Gründung gab es viele Vorbereitungen. Unser externes und internes Management sowie einige engagierte Initiatoren, darunter auch drei Bürgermeister, haben entschieden: „Das packen wir an, nur so können wir die Gelder weiterverteilen.“
Aus dieser Verantwortung heraus muss ich betonen: Es ist leicht, zu fordern, dass jemand etwas tun sollte, aber selbst mitzumachen, ist eine andere Sache. Gersdorf hatte in der LAG schon immer eine gewisse Vorreiterrolle, und ich bin überzeugt, dass die Entscheidung, die ich damals getroffen habe, die richtige war. Auch wenn es ein großer Brocken zusätzlicher Arbeit ist, mache ich diese Arbeit gerne.
Herr Apolinarski
Was ist Ihre Vision für die Region, und wie trägt der Verein dazu bei, diese Vision umzusetzen?
Herr Seidel
Ja, er trägt dazu bei, indem wir einen breit aufgestellten Vorstand haben. Wir haben die Aufgaben im Vorstand auf viele Schultern verteilt, und nicht zuletzt haben wir unsere Gremien, wie die Arbeits- und Koordinierungskreise.
Es reicht nicht aus, nur Ideen zu haben – wir brauchen auch Menschen, die gemeinsam mit uns diese Ideen umsetzen. Egal, ob es um das Tagesgeschäft geht oder um Zukunftsvisionen, wir müssen immer einen Schritt vorausdenken. Das ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Vereins. Visionen lassen sich nur umsetzen, wenn man sich zusammensetzt, diskutiert und manchmal auch etwas spinnt – denn oft tritt das, was zunächst als verrückt erscheint, doch ein.
Wären die Menschen vor 100 Jahren nicht bereit gewesen, vorauszudenken und zu träumen, hätten wir vielleicht heute noch kein vernünftiges Auto.
Herr Apolinarski
Ich möchte ganz gerne noch auf einen dritten Aspekt eingehen. Was waren die Highlights und die Leistungen des Vereins? Welche Erfolge beziehungsweise Meilensteine haben sie und das Team erreicht?
Herr Seidel
Ich muss sagen, ein wichtiger Meilenstein ist, dass wir fast 100 % der Mittel aus der letzten Förderperiode verteilen konnten. Es waren am Ende etwa 95 oder 96 % – ein beachtlicher Erfolg, den wir gemeinsam mit dem Management erreicht haben. Natürlich liegt es jetzt nicht mehr in unserer Hand, ob alle Mittel auch tatsächlich abgerufen werden, aber die Verteilung war auf jeden Fall ein großer Erfolg.
Wenn ich auf die letzten zwei Jahre zurückblicke, kann ich nur sagen: Wir machen so weiter! Ich bin unglaublich stolz auf das, was wir erreicht haben. Besonders stolz bin ich auf unser Management und die vielen Ehrenamtlichen, die uns kontinuierlich unterstützen. Sie investieren ihre Freizeit, kommen abends um 18 Uhr zu unseren Sitzungen und diskutieren mit uns über die Projekte. Es ist beeindruckend, dass wir es geschafft haben, diese Menschen zu binden, sie für unsere Sache zu gewinnen und dass sie uns bis heute treu geblieben sind.
Am meisten freut mich, dass wir auch bei der letzten Koordinierungskreissitzung 29 Personen waren – das zeigt, wie stark unser Engagement ist.
Herr Apolinarski
Der Verein hat kürzlich eine Broschüre veröffentlicht, die das Engagement und die Projekte sichtbar macht. Was waren für Sie persönlich die wichtigsten Botschaften, die Sie den Menschen in der Region damit vermitteln wollten?
Sie haben uns ebenso ein sehr interessantes Vorwort in der Broschüre gegeben, was ja auch noch einmal auf den Punkt der Vision eingeht.
Herr Seidel
Ich möchte anmerken, dass ich diese Periode erst ab 2018 aktiv begleitet habe. 2017 war ich nur ein paar Tage involviert, aber ab 2018 dann voll engagiert – also knapp sieben Jahre insgesamt. In diesen sieben Jahren hat sich viel getan, es gab viele positive Entwicklungen und auch einige bedeutende Fortschritte.
Wir haben versucht, all das in unserer Broschüre festzuhalten, und ich denke, das ist uns wirklich gut gelungen. Sie zeigt auf, was in diesen sieben Jahren erreicht wurde, auch wenn es sich nur um einen Ausschnitt aller Projekte handelt. Wir haben hier die „Leuchtturmprojekte“ hervorgehoben, aber wer tiefer einsteigen möchte, kann jederzeit weitere Informationen über die vielen realisierten Projekte erhalten.
Wenn man sich die Eigenmittel ansieht, die hinzugeflossen sind, sprechen wir von Investitionen im höheren Millionenbereich, die wir in unsere Region gebracht haben – allein durch die Umsetzung dieses Programms. Dabei haben viele Menschen und Gemeinden auch ihre eigenen Mittel eingebracht. Wir stehen also wirklich gut da. Ob es nun um Denkmalschutzprojekte geht oder um Unterstützung für die Kommunen, zum Beispiel beim Bau von Spielplätzen – die Projekte sind sehr vielfältig, und genau das spiegelt sich auch in der Broschüre wider.
Ich kann nur jedem empfehlen, sich diese Broschüre einmal anzuschauen. Das geht ganz bequem digital *, oder – wenn man es wie früher machen möchte – ganz analog, indem man das Buch in die Hand nimmt und einfach darin blättert.
Herr Apolinarski
Es geht jetzt bei meiner letzten Frage, um die Zukunft des Vereins und unserer Region.
Ich stell Ihnen mal folgende Frage, wenn Sie an die nächsten Jahre denken, wo sehen Sie den Verein und die Region Schönburger Land perspektivisch?
Herr Seidel
Wenn man über Zukunft nachdenkt und Zukunftsforschung betreibt, ist das ein bisschen wie in eine Kristallkugel zu schauen. Aber es gibt auch Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit Zukunftswissenschaft beschäftigen. Sie betonen oft, dass es wenig sinnvoll ist, nur auf das nächste Jahr zu schauen. Stattdessen sollten wir uns fragen: Wo wollen wir in den nächsten 10 Jahren stehen? Diese langfristige Perspektive ist jedoch für uns nicht immer einfach, da unsere Förderperioden viel kürzer sind. Wir müssen also innerhalb der gegebenen Zeiträume realistische Ziele setzen.
Ein wichtiger Punkt für uns ist, dass wir sicherstellen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel auch wirklich bis zum Ende der Förderperiode sinnvoll genutzt werden. Das bedeutet, dass wir nicht nur bestehende Projekte fördern, sondern auch Raum für neue Ideen und Projekte schaffen. Vielleicht hilft dabei ebenso ein Brainstorming, um klar zu definieren, wo wir hinwollen und wie wir die Gelder am besten einsetzen. Gleichzeitig sind wir natürlich an bestimmte Regularien und unsere LEADER-Strategie gebunden, an die wir uns halten müssen.
Natürlich ist es schwer vorherzusagen, was in fünf oder zehn Jahren „modern“ oder notwendig sein wird. Vielleicht fahren dann keine Autos mehr, sondern wir fliegen in Taxis durch die Luft – zumindest, wenn man manchen Politikern glauben darf. Doch ich denke, wir sollten das realistisch betrachten, ohne dabei unsere Visionen für die Zukunft aus den Augen zu verlieren. Es ist wichtig, dass wir am Ende der Förderperiode sagen können: „Ja, das haben wir erreicht.“ Dafür setzen wir uns mit unserem Verein ein.
Ich hoffe sehr, dass Programme wie LEADER auch in Zukunft weitergeführt werden. Es wäre schade, Projekte auf halber Strecke abbrechen zu müssen. Schließlich haben wir vor Ort viel Arbeit investiert und bewiesen, dass wir die Mittel effektiv und gezielt einsetzen. So entlasten wir den Staat und gestalten unsere eigene Zukunft. Für die kommenden Jahre wünsche ich mir, dass unser Verein weiterhin aktiv bleibt und diese Entwicklung unterstützt – sei es durch die Geschäftsstelle, digitale Angebote oder Veranstaltungen.
Der Zuspruch, den wir erhalten, zeigt uns, dass wir auf dem absolut richtigen Weg sind.
Herr Apolinarski
Vielen Dank, Herr Seidel, für das inspirierende Gespräch und Ihre Einblicke in die Arbeit unseres Vereins. Es wurde deutlich, wie viel Engagement in die Entwicklung unserer Region gesteckt wird. Die Erfolge der letzten Jahre zeigen, dass der Verein auf einem guten Weg ist. Mit einer klaren Perspektive und gemeinsamer Basisdemokratie gestalten wir aktiv die Zukunft und starten neue und spannende Projekte.
Wir sind sicherlich alle überzeugt, dass wir Gemeinsam ein lebendiges und starkes Schönburger Land schaffen.
*(Anm. d. Red.: Die Broschüre wird demnächst Online eingestellt)