Vor einiger Zeit erreichte mich aus Berlin ein seltsames Foto:
Dr.Grimmer, bekannter Schönburg-Forscher, hatte dieses in Glatzen (dem heutigen Kladská), nähe Marienbad, während einer Reise von einer dortigen Tafel abfotografiert. Und da er über meine Rieneck-Forschungen im Bilde war, ließ er mir einen „Abzug“ zukommen. Zu diesem Zeitpunkt war bekannt, daß es sich um einen Schönburger handelt: Otto Sigismund, Prinz von Schönburg-Waldenburg ist der scheinbar etwas verrückte bewaffnete Reiter auf dem Hirsch.
Aber was hatte es mit dem Hirsch und mit Rieneck auf sich?
Zuerst galt es, den tschechischen Text zu übersetzen: „Zu Besuch bei Freunden auf Burg Rieneck.“ Burg Rieneck, der Geburtsort von Sigismund`s Urahnin Anna „Gratiosa“ von Schönburg, wechselte Ende des 19./Anfang des 20.Jahrhunderts mehrfach den Besitzer, Fabrikanten schmückten sich gern mit Burgen und Schlössern, fühlten sie sich doch als der neue (Geld-)Adel.
Wie passt aber Prinz Sigismund in die Geschichte?
Dank meiner Rieneck-Forschungen erkannte ich sofort den Innenhof der Burg Rieneck, auch der Hirsch war mir, wenn auch aus anderer Perspektive, bekannt. Ich versuchte nun herauszufinden, ob es das Originalbild noch irgendwo gab und ob da vielleicht noch mehr zu finden war. Tatsächlich hatte ich mit Hilfe von Übersetzungsprogrammen schließlich Erfolg im „Státní oblastní archiv v Plzni“ – dem Staatlichen Regionalarchiv in Pilsen. (1) Es gelang, eine kleine digitale Fotosammlung aus Prinz Sigismunds Nachlass zu finden und eine Lizenz zum Veröffentlichen in Deutschland zu erwerben – ein kleines Abenteuer. Die Fundstücke lösten schließlich das Bild-Rätsel, zumindest teilweise. Die Freunde, welche Prinz Sigismund mit seiner Partnerin Emilie Friederike Elfriede Handschke besuchte, war die Fabrikanten-Familie Traugott Wenzel und Frau. Traugott Wenzel hatte Burg Rieneck 1906 Adolf Hupertz, Fabrikant und Leiter der Dürener Metallwerke AG, abgekauft. Er selbst verkaufte Burg Rieneck 1919 wiederum an den Bestsellerautor Walter Bloem, dem er sie bereits seit 1916 verpachtet hatte. (2)
Der Hirsch, das besondere Reittier unserer Geschichte, stand mindestens noch bis in die 1930er Jahre im Innenhof von Burg Rieneck. Angeschafft wurde er frühestens 1906. Der Grund: Traugott Wenzel war nicht irgendein Industrieller. Vormals Holzhändler aus Harzgerode, auch Kommerzienrat, hatte…..
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Foto oben: © „RA Schönburg-Waldenburg“ (EL NAD 165), Prinz Sigismund von Schönburg-Waldenburg im Innenhof Burg Rieneck 1911
Kommentar zum Beitrag über Sigismund Prinz von Schönburg – Waldenburg im Schönburg-History Blog
Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, daß in diesem Blog auch Biographisches zu Persönlichkeiten des Hauses Schönburg Aufnahme findet, die außerhalb des eigentlichen schönburgischen Landes lebten und wirkten. Wenn aber, wie in diesem Fall, Dinge behauptet werden die schlichtweg falsch sind, dann bedarf das einer dringenden Korrektur. Konkret geht es dabei um Details aus dem Leben des Prinzen Sigismund von Schönburg-Waldenburg.
Dieser,1866 als dritter Sohn des Fürsten Otto Friedrich von Schönburg-Waldenburg geboren, absolvierte ein Jurastudium und promovierte in Jena zum Dr. jur.1 Eine nachfolgend ausgeübte Tätigkeit als Jurist ist, wie behauptet, bislang nicht nachweisbar. Wenn vor 1919 ein Vertreter des Hochadels Jura studierte, dann war seine Motivation eher in einer rechtlichen Absicherung seiner Besitzungen zu suchen, als der Wunsch nach einer Tätigkeit als Anwalt oder Richter. Nach dem Tod seines Vaters erbte Prinz Sigismund die Herrschaft Kaiserwald Glatzen. Der nördlich von Marienbad gelegene Besitz war 1873 erworben worden. Ebenfalls 1873 besuchte Fürst Schönburg die Weltausstellung in Wien. Die dort von der Schweiz gezeigten Häuser im Stil des Berner Oberlandes weckten das Interesse des Fürsten. Er bestellte schließlich ein ganzes Ensemble von Häusern inklusive einem Jagdschloß mit Wirtschaftshof. Ab 1875 errichteten Schweizer Bauhandwerker die genannten Gebäude, wie sich u.a. auf der Website: „www. apartmann-forstamt.cz/de“ nachlesen läßt. Es kann also keine Rede von „..einem Jagdschloß und einigen Schwarzwald-/Tirol-Hütten“ sein.
Prinz Schönburg hat hier in den ca. 43 Jahren seines Wirkens mustergültig Waldwirtschaft und Naturschutz praktiziert und die Voraussetzungen für das heutige Naturreservat geschaffen. Ein Satz, der mit „Zurückgezogen lebte er in seinem künstlich geschaffenen Refugium“ beginnt, entspricht aber keineswegs den Tatsachen. Die Glatzen war nicht nur ein reger Forstbetrieb, sondern durch das dazugehörige Gasthaus „Zum balzenden Auerhahn“ ein beliebter Anziehungspunkt für die Besucher des böhmischen Bäderdreiecks.
Das Gästebuch des Gasthofs, vom letzten Pächter gerettet, gibt Zeugnis von der Beliebtheit des Ortes für das internationale Publikum. Europäische Monarchen, wie Edward VII. von England, Alfons XIII. von Spanien oder Ferdinand von Bulgarien weilten genauso hier wie König Fuad von Ägypten oder indische Maharadschas. Neben dem alten Adel waren auch reichlich Vertreter des amerikanischen Geldadels vertreten. Namen wie Vanderbilt, Morgan und Dupont sprechen für sich. In der Zwischenkriegszeit saßen z. B. Zoodirektor Hagenbeck, Komponist Paul Lincke oder der österreichische Schauspieler Hans Moser in der Gaaststube. Ein kleines, etwas erhöht liegendes, Holzhaus, der Prater genannt, diente vertraulichen Gesprächen. Dort tagte beispielsweise König Georg V. von England mit dem französischen Ministerpräsidenten Clemenceau. Auch der sowjetische Außenminister Litwinow traf sich diskret mit seinen westeuropäischen Botschaftern. Nach Beginn des 2. Weltkrieges verschwanden die internationale Gäste weitgehend. An ihrer Stelle sah man häufiger die Industriellen Thyssen, Klöckner, Flick oder den Volkswagenkonstrukteur Porsche.2
Im nahegelegenen Jagdschloß waren aber auch die Künste zu Hause. Prinz Sigismund spielte ausgezeichnet Geige, Musiker und Sänger gehörten daher zu stets gern gesehenen Gästen.3
Die Musikalität des Prinzen kann wohl als Erbteil seiner Mutter angesehen werden, bekannt als begabte Klavierspielerin und Sängerin.
Der Autor nimmt an, daß die Herrschaft Glatzen nur wenig abwarf, meint aber zu wissen, woher das
Gros der Einnahmen kam. „Ein Großteil der Einkünfte stammte aber bis Mitte der 1920er Jahre aus polnischem Großgrundbesitz, sicher geerbt von seiner polnisch-stämmigen Mutter Pamela Labunska.“ Als der damalige Erbprinz Otto Friedrich sich in das deutlich jüngere Fräulein von Łabunska verliebte und seine Eltern um die Erlaubnis zur Heirat bat, wurden Bedenken laut. Die junge Dame war zwar „schön und hochbegabt“ aber auch „zu jung, zu polnisch, zu katholisch und zu arm“4 Die Łabunskis hatten zwar Grundbesitz im Gouvernement Witebsk, heute zum größten Teil zu Weißrussland gehörig. Es ist aber nicht bekannt, daß Pamela auch nur einen Quadratmeter Boden mit in die Ehe einbrachte.
Dem Verfasser ist hier eine Verwechslung unterlaufen, welche bei besserer Recherche leicht vermeidbar gewesen wäre. Bei dem in der zitierten Akte des Bundesarchivs genannten Grundbesitz handelt es sich um die Herrschaft Szelejewo, Krs. Koschmin, Provinz Posen. Hugo Prinz von Schönburg-Waldenburg, ein Onkel des Prinzen Sigismund hatte diesen Besitz 1865 erworben. Sein Sohn Heinrich Prinz von Schönburg-Waldenburg schreibt in seinen „Erinnerungen aus kaiserlicher Zeit“ auf Seite 302: „Daß ich Szelejewo mir und der Familie erhalten könnte, hatte ich nicht zu hoffen gewagt. Nach dem Versailler Diktat hätte mir dieser Besitz eigentlich nicht genommen werden dürfen; er verfiel aber doch der Beschlagnahme, und da es mich nicht gelüstete, polnischer Staatsangehöriger zu werden, so verkaufte ich die mir lieb gewordene Herrschaft nolens volens an einen Herrn von Karłowski und war schließlich froh, daß ich trotz der über den Kaufpreis verhängten Ausfuhrsperre bei einer Begegnung am Stacheldraht des Zdunyer Grenzüberganges mit dem rechtlich gesinnten Käufer einen Weg ausfindig machen konnte, der mir trotz Inflation wenigstens einen kleinen Bruchteil des Wertes rettete.“ Das dürfte sich etwa Ende 1920 oder Anfang 1921 abgespielt haben. Das Gästebuch von Szelejewo erwähnt übrigens einen Aufenthalt des Prinzen Sigismund, der im November 1915 auf der Durchreise nach Warschau im Herrenhaus übernachtete.
Sein Interesse und Begeisterung für Kunst führten bei ihm wohl auch zur Partnerschaft mit Emilie Friederike Handschke, gemeinhin nur Elfriede genannt. Der nach der Eheschließung abgeschlossene Hausvertrag mit dem Fürsten Günther bezüglich der nicht hausgesetzmäßigen Ehe verleiteten den Autor zu folgenden Sätzen:„Offiziell soll es zum Bruch mit der Verwandtschaft gekommen sein. Das scheint aber nur die halbe Wahrheit zu sein.“ Schaut man genauer hin, ist die Wahrheit eine ganz andere. Eheabredungen und Eheverträge waren seit Jahrhunderten besonders bei adligen Familien Usus. Stammte die Partnerin aus einer nicht ebenbürtigen Familie sahen die Hausgesetze spezielle Regelungen hinsichtlich der Erbfolge vor. Auch wenn nach Inkrafttreten der Weimarer Verfassung die Vorrechte des Adels wegfielen, hielten doch besonders die Familien des Hochadels an diesen Vereinbarungen fest. Man muß ebenso bedenken, daß der Hauschef Fürst Günther zum damaligen Zeitpunkt noch unverheiratet und kinderlos war. Wäre er plötzlich verstorben, würde als nächster Agnat Prinz Sigismund nachfolgeberechtigt gewesen sein. Auswirkungen auf das enge verwandtschaftliche Verhältnis innerhalb der gesamten fürstlichen Familie hatte der Vertrag überhaupt nicht. Ein beredtes Exempel dafür findet sich nur wenige Jahre später als Fürst Günther Schönburg selber eine Ehe eingehen wollte. Er ließ seine Auserwählte Hertha Roetzschke von seinem Onkel Sigismund adoptieren. Als Frau Schönburg trat sie vor den Traualtar. Details zu diesem außergewöhnlichen Vorgang finden sich in der umfangreichen Biographie des Fürsten.5
Originell und humorvoll sind die vom Prinzen an die Familie und Freunde versandten Fotos, die meist im jagdlichen Kontext entstanden. Beispiele dafür findet man im „Schönburgischen Hauskalender 2000“. Im November 1936 starb Prinz Sigismund an einer Lungenentzündung und wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in seinem von ihm bestimmten Grab oberhalb des Jagdschlosses beigesetzt. Die örtliche Presse schrieb von annähernd 3000 Personen, die ihm das letzte Geleit gaben. Die Fürsten von Schönburg-Waldenburg und Schönburg-Hartenstein waren genauso anwesend, wie Behördenvertreter und die Bevölkerung der Umgebung. Elfriede Schönburg führte den Betrieb ganz im Sinne ihres Mannes weiter. Die nachfolgenden politischen Veränderungen, der Krieg und die Nachkriegsentwicklungen machten eine geplante Übernahme der Herrschaft Glatzen innerhalb der Familie zunichte. Nach der Vertreibung aus Böhmen fand Elfriede Schönburg Zuflucht in Schloß Heiligenberg, das dem Fürsten zu Fürstenberg gehörte. Dort hatten auch Fürst und Fürstin Alexander Schönburg-Hartenstein nebst Familie, sowie die Witwe des Grafen Carl von Schönburg-Glauchau mit ihren acht Kindern Aufnahme gefunden. Als geschätzte „Tante Friedel“ hat sie dort bis zu ihrem Tod 1964 gelebt.
Eine Bemerkung muß noch zu einem der beigefügten Bilder gemacht werden. Ein Foto zeigt Frl. Handschke mit einem jungen Mädchen. Es wird vermutet, daß es sich dabei um Marie Eleonore, genannt Manina, Prinzessin Wied handelt. Das Foto soll, wofür auch die getragene Kleidung spricht, vor oder während des ersten Weltkriegs entstanden sein. Geboren ist Manina Wied 1909, was mühelos zu ermitteln gewesen wäre. Man kann die aufgezeigten Mängel gern als Petitessen werten, aber wenn aus Vermutungen Tatsachen gestrickt werden, ist dem Anliegen dieses Blogs nicht gedient.
Matthias Frickert
1 Zum Gedächtnis – Nachrufe auf drei verstorbene Mitglieder des Hauses Schönburg, Waldenburg
1937
2 Dietl, Hans W. Erinnerungen an Glatzen, Selbstverlag 1996, S.58f.
3 wie Anmerkung 1
4 Grimmer, Arndt-Rüdiger, „Freundlichkeit und Dignität“. Die Fürstinnen von Schönburg-
Waldenburg, in: Die Grafen und Fürsten von Schönburg im Muldental, Via Regia Verlag 2013,
S.94f.
5 Götze, Robby Joachim, Günther Fürst von Schönburg-Waldenburg, Artis Causa 2015, S.58f.
Sehr geehrter Herr Frickert! Ich danke Ihnen für die detailreiche Ergänzung meines Beitrages, ebenso für Ihre Korrekturen. Bewusst bin ich nicht in die biografische Tiefe und Recherche zu Prinz Sigismund eingestiegen, bewußt habe ich „vermutet“ und nicht „behauptet“. Ansinnen des Beitrages war es, diese ernste Zeit etwas aufzulockern mit dem schönen Bild-Fund des Prinzen auf dem Hirsch. Ich nehme für mich in Anspruch, genau diese Bild-Geschichte genau und tiefgründig recherchiert zu haben. Wie sie sicher gelesen haben, sind die weiteren tschechischen Fotos im Laufe der Recherche gefunden worden und ich bitte ausdrücklich um Mithilfe bei der Identifizierung der unbekannten Personen.
M.Etzold
Als freundlich-kollegialen Gruß hatte ich seinerzeit Herrn Etzold das von mir in Glatzen aufgefundene Foto des Prinzen Sigismund von Schönburg-Waldenburg „zu Hirsche“ zugeschickt. Er hat das zum Anlass genommen, eine schlecht recherchierte Arbeit über den Prinzen zu veröffentlichen, deren Schwächen Herr Frickert überzeugend dargelegt hat. Nach Herrn Etzolds Auffassung rechtfertigt der Wunsch, „ernste Zeiten“ wie die gegenwärtige Pandemie aufzulockern, ein solches oberflächliches, nicht in die „biografische Tiefe“ gehendes Arbeiten. Ich teile diese Ansicht nicht. Ein Medium mit großer Reichweite wie schoenburg history erfordert hohe Sorgfalt. Nur so lässt sich der Gefahr einer Nähe zu fake news vorbeugen und das notwendige Vertrauen in die sozialen Medien aufbauen und erhalten.
Arnd-Rüdiger Grimmer
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