Kulturwissenschaftlerin Daniele Miranda unterwegs auf den Spuren von Ottokar Dörffel
Im Jahr 1854 wanderten der ehemalige Glauchauer Bürgermeister Ottokar Dörffel (1818-1906) und seine Frau Ida (1822-1889) nach Brasilien aus. Das Ehepaar baute sich nach dem Ende von Dörffels politischer Karriere im Schönburgischen infolge der Beteiligung am Revolutionsgeschehen von 1848/49 in Dona Francisca/Joinville im Süden Brasiliens ein neues Leben auf. Als Unternehmer, Lokalpolitiker und Publizist gehörte der gebürtige Waldenburger dort zu den bedeutendsten Persönlichkeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
In Brasilien lebten die Dörffels in einem stark von der deutschen Einwanderung dominierten Ort. Als einem der Protagonisten des Deutschtumserhalts in Südbrasilien gilt Ottokar Dörffel bis heute kritische Auseinandersetzung. Die privaten Briefe des Ehepaars, die sie über 50 Jahre an ihre Familie in Sachsen schrieben, sind darüber hinaus wichtige Quelle der Alltags-, Kultur- und Migrationsgeschichte. Sie bieten gleichermaßen Material zur Entstehung und Formierung einer Einwanderungsgemeinschaft in Brasilien wie zum Kenntnisstand von Wissen über Südamerika in sächsischen Privathaushalten im 19. Jahrhundert.
Aus Anlass von Ottokar Dörffels 200. Geburtstag im Jahr 2018 waren die Briefe des Ehepaars in einer Edition publiziert sowie verschiedene Veranstaltungen in Sachsen und Brasilien durchgeführt worden. Die damals geknüpften persönlichen Verbindungen zwischen Forschenden auf beiden Seiten des Ozeans haben sich seitdem weiter intensiviert.
Im Juli 2023 besuchte nun Kulturwissenschaftlerin Daniele Miranda aus Brasilien, begleitet von ihrer Familie, Sachsen. Daniele Miranda forscht an der Univille, der Universität in Joinville zur Dörffels Leben in Brasilien, seiner geistigen Verortung und seinem Anteil an der Entwicklung des südbrasilianischen Orts im 19. Jahrhundert.
Das mehrtägige Exkursionsprogramm in Sachsen umfasste alle wesentlichen Lebensstationen Ottokar Dörffels vor der Auswanderung. Vom Geburtsort Waldenburg über Rochlitz als einer frühen beruflichen Station des Juristen und Ort der Hochzeit mit Ida Günther ging es nach Glauchau und schließlich nach Chemnitz. Neben Stadtrundgängen und Besichtigungen der Schlösser in Waldenburg und Glauchau bildete die Einsichtnahme in die Originale der Auswandererbriefe der Dörffels im Staatsarchiv Chemnitz und im Schloss Hinterglauchau einen besonderen Höhepunkt. Fachlich begleitet wurden die Gäste aus Brasilien von Dr. Judith Matzke, Dr. Alexandra Thümmler und Dr. Michael Wetzel.
So wie der Besuch einer Gruppe aus Sachsen im Jahr 2018 in Brasilien die weitere Arbeit an der Edition der Briefe befördert hatte, werden nun die Eindrücke der authentischen Orte in Sachsen in Daniele Mirandas Dissertation einfließen. Neben der Auswertung von Quellen in Archiven und Museen sollte historische Forschung im besten Fall auch Menschen und Regionen zusammenbringen. Der internationale Ansatz der sächsischen Landesgeschichte ist dafür ein lebendiges Beispiel. Der Austausch zwischen dem Schönburger Land und Brasilien wird sich ganz sicher fortsetzen. Für Interessierte an einem Besuch in Brasilien können gern persönliche Kontakte in Joinville vermittelt werden.
Die Briefedition „Von Glauchau nach Brasilien. Auswandererbriefe von Ida und Ottokar Dörffel“ ist kostenfrei im Sächsischen Staatsarchiv erhältlich und kann per Mail bestellt werden: poststelle@sta.smi.sachsen.de